Die Schatten der BEAP-Politik

In Deutschland herrscht eine klaffende Ungleichheit zwischen zwei klar abgrenzbaren sozialen Schichten, die eine Mauer teilt. Diese ist für die reiche Bevölkerung eine Absicherung vor den Armen und vermindert somit die Kriminalitätsquote in den Reichenvierteln.

Für die einen gibt es nur eine minderwertige Schulbildung mit meist wenigen und unqualifizierten Lehrkräften in sehr großen Klassenverbänden. Die Menschen beziehen ihre medizinische Behandlung nur von digitalisierten Krankenpflegern, den sogenannten „Health-Bots“. Diese erweisen sich zwar als schnell und effizient, aber sie können nur die nötigsten Behandlungen durchführen –  im Sinne einer Fließband-Logik. Versichert sind die weniger privilegierten Menschen durch eine unterfinanzierte Krankenversicherung. Auch gibt es für sie immer weniger Arbeit, da auch die einfachsten, weniger anspruchsvollen Tätigkeiten von Robotern verrichtet werden.

Für die wohlhabende Schicht ist die Schulbildung hochtechnisiert und individuell an die Bedürfnisse der Schüler ausgerichtet. Grundlage dafür bilden die ausgezeichneten Lehrkräfte (meist sogar Professoren oder Privatdozenten) und die ausgefeilten Lehrpläne. Unterricht findet stets in kleinen Kursen statt, was das Klassenklima stark verbessert. Auch das Gesundheitswesen ist für die bessergestellten Bürger hervorragend. Die Patienten werden von guten Ärzten individuell behandelt, können sich auf eine umfassende Gesundheitsversorgung verlassen und werden mit den neusten Medikamenten versorgt.

Politisch herrscht hohe Unzufriedenheit in der Gesellschaft – und zwar beiderseits der Mauer. Auch wenn die Ärmeren mehr Grund zur Klage haben, da der Staat sie durch die BEAP-Politik (be effektive and productive) weder durch Sozialhilfe unterstützt, noch mit einer guten Versicherung ausgestattet, regt sich auch in der gehobenen Gesellschaft Unmut, muss sie für ihren Wohlstand doch sehr hart und lange arbeiten.

Dennoch kommt es auf keinen der beiden Seiten zu einer Revolution. Die Regierung erstickt jede potenzielle Revolte durch allumfassende Kontrolle und darauf aufbauend Manipulation im Internet. Die Überwachungssysteme werden auf der einen Seite den Reichen als Notwendigkeit zum Schutz vor den Armen und auf der anderen Seite den weniger Betuchten als Grundlage für ihr „soziales Netz“ verkauft. Dieses neue Netz ist eine App, die den ärmeren Menschen erlaubt, sich in ihrer Freizeit leichter zu treffen, da sie stets sehen, wo sich der andere aufhält. Doch langsam mobilisieren sich die Menschen, da sie eine allgegenwärtige Überwachung ahnen und sich in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen.



Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…

1. Akt: Auf der Straße

 Handelnde Personen:

  • Evelin Schneider – Mutter  
  • Lea Schneider – Tochter  
  • Claire – Freundin  
  • Josie – Freundin  
  • Verkäuferin / shop assistant  

Evelin und Lea Schneider setzen sich in ein Auto und legen die Hände auf ihren Schoß. Das Auto beginnt alleine loszufahren.

Lea: Mama, was ist eigentlich hinter der Mauer?

Evelin: Da leben nur Kriminelle. Faule Säcke, die kein Geld verdienen. Von denen wollen wir nichts wissen. Oh, da ist eine rote Ampel.

Arbeiterviertel

Auf der anderen Seite zur gleichen Zeit unterhalten sich zwei Freundinnen auf einem Marktplatz auf Englisch.

Claire: Things won’t get better, it seems. No progress, it’s all pretty boring.

Josie: You know, we can‘t really do anything about it. But at least we don‘t have to work that much as the people over there. I wonder if they are ever getting exhausted. I mean it seems they are working all day. I couldn‘t do that.

Claire: I know, me neither. At least we have freedom and we can do whatever we want.

Josie: Yeah, and all those roboters. They are running down the streets way too much lately. I am feeling watched all the time.

Claire: That’s true.

Josie: You know, especially in the hospital.

Claire: It‘s so weird. Those mechanical surgeons don’t really have emotions.

Josie: Yeah, I know. Sometimes it makes me a bit uneasy.

Claire: Have you heard of the two orphans asking Sally for some extra food?

Josie: Yeah, I know. Quite sad.

Shop assistant: What do you like? We have some fresh meat and even some fish.

Josie: Some fish, please.

Shop assistant: Yeah, its better fish than normal. You won’t regret your choice!

Josie: Great, thank you!

Luxusviertel

Zurück bei den Schneiders im Auto.

Lea: Was meinst du mit Kriminalität, Mama?

Evelin: Die sind total arm und neidisch auf uns, deswegen. Unser Leben hat einen Sinn, denn wir machen die Welt schöner, entwickeln neue Technologien und sorgen für unsere Nachkommen vor. Wir schuften so viel, wie es geht, um sehr viel Geld zu verdienen. Das kennen die da drüben nicht. Wenn die wüssten, dass wir so viel Geld verdienen und uns solchen Luxus leisten könnten, würden sie über die Mauer klettern und uns alle ausrauben.

Lea: Wenn sie so neidisch sind, warum gehen sie dann nicht selber arbeiten?

Evelin: Weil sie einfach nicht gebildet und extrem faul sind.

Lea: Na dann sollen sie doch dort bleiben!

Evelin: Genau. Wie auf allen Kanälen berichtet wird, sind die unwillig zu arbeiten. (spuckt auf den Boden)! So, wir sind jetzt da. (zum Auto) Tür auf!

Die beiden steigen aus dem Auto und gehen zu Fuß weiter.


2. Akt: Im Krankenhaus

 Handelnde Personen:

  • Herr Schmidt – Patient und Vater  
  • Frau Schmidt – Mutter  
  • Erik – Sohn   
  • Frau Dr. Ehrlich – behandelnde Ärztin  

Herr Schmidt liegt nach der Operation auf einer Liege und bekommt Besuch. Es klopft an der Tür und seine Frau und sein Sohn Erik treten ein.

Erik: Hallo Papa!

Herr Schmidt: Hi!

Zugleich kommt aus einer anderen Tür die behandelnde Ärztin, Frau Dr. Ehrlich, herbei.

Dr. Ehrlich: Ich bin die behandelnde Ärztin. (zur Mutter gewendet) Die Untersuchung hat ergeben, dass Ihr Mann leider eine Fraktur der Wirbelsäule hat.

Erik: Oh Gott!

Dr. Ehrlich: Ja, aber das ist kein Problem, das heilt in einer Woche.

Frau Schmidt: Na ein Glück, dann kannst du in einer Woche wieder arbeiten.

Erik: So früh?

Frau Schmidt: Die moderne Technik ist schon beeindruckend. Das ist wirklich praktisch, dann kommt wieder Geld nach Hause.

Erik: Ja, aber dann will ich aber auch mein neues iPhone.

Herr Schmidt: Ich will auch nicht länger zu Hause rumhängen. Ich will so schnell wie möglich auf Arbeit. Und Erik, das iPhone kauf ich dir.

Frau Dr. Ehrlich wünscht Herrn Schmidt alles Gute und verlässt den Raum. Erik und seine Mutter erkundigen sich nach dem gesundheitlichen Zustand des Vaters.


3. Akt: Im Wohnzimmer

 Handelnde Personen:

  • Frank Schmidt – Mutter  
  • Erik – Sohn  
  • Mia – Tochter  
  • Nachrichtensprecher  

Zurück zu Hause, fragt Frau Schmidt die kleine Mia, wie es in der Schule war, während Erik gelangweilt die Nachrichten anschaltet.

Nachrichtensprecherin: Schönen guten Abend! Die Kriminalitätsrate im Armenviertel ist wieder drastisch gestiegen. Allein gestern Abend sind zwei Kriminelle in ein Hauptlager eingebrochen und haben alle Essensvorräte geklaut. Jetzt bleiben einige Bereiche dort ohne Essen, bis wir – damit meine ich natürlich die Reichen (zwinkert in die Kamera) – mit unserem Geld denen das Essen wieder heranschaffen. Auf einer Konferenz in Berlin wurde zudem beschlossen, dass die Sicherheit an der Grenze weiter erhöht werden muss, damit die Kriminellen uns nicht belästigen. Wählt die BAP, die Bundesarbeiterpartei, um für mehr Sicherheit zu sorgen. Wir müssen in diesen schweren Zeiten zusammenhalten.

Frau Schmidt: Genau, da hat er wirklich recht.

Erik: Ja, stimmt. Jetzt stehen ja bald die Neuwahlen an. Allerdings haben die uns beim letzten Mal auch mehr Freiheit und Freizeit versprochen, aber eigentlich ist es immer schlimmer geworden.

Frau Schmidt: Erik, das stimmt schon, das wird dieses Mal auch nicht besser werden, wenn wir die wählen werden.

Erik: Das ist sicher. Aber es ist trotzdem besser, wenn wir für sie stimmen, dann werden unsere Grenzen wenigstens geschützt.

Frau Schmidt: Ja, dass die da nicht rüberkommen.

Mia (mit ängstlichem Blick): Muss ich jetzt Angst haben, in die Schule zu gehen?

Erik: Nein, Mia. Das haben die doch gerade gesagt. Die wollen die Mauer jetzt richtig überwachen.

Mia: Und die Roboter? Da habe ich letztens etwas in der Schule gehört.

Frau Schmidt: Ja, die sind hauptsächlich dafür da, um sich um das Wohlbefinden der Bürger da drüben zu kümmern. Außerdem haben sie da nicht genügend Geld, um sich eine Krankenkasse zu leisten. Und die Roboter bringen die dann manchmal ins Krankenhaus und bringen denen das Essen.

Erik: Ja klar, das ist halt schneller und effektiver.

Frau Schmidt (grinst): Und außerdem müssen ja irgendwo unsere Roboter getestet werden.