Im Jahr 2040 sprechen viele von der „Schicht der vermeintlich Armen“ – „vermeintlich“ deswegen, weil die Armen zwar deutlich weniger Geld verdienen als andere, aber das allgemeine Lebensniveau doch deutlich höher ist als noch vor wenigen Jahren. Diese wohnen in eigenen Zonen, da die Reichen sich von den Ärmeren abgrenzen möchten.
Es gibt allerdings zahlreiche Aufstiegschancen. Wenn man durch Beförderung zu mehr Geld kommt, kann man auch in die reiche Schicht überwechseln. Doch die Wohlhabenden sind angehalten, hohe Abgaben zu leisten, die der Staat an die Ärmeren weiterleitet, damit diese zufriedengestellt werden. Die Armen sind sich des steigenden Lebensstandards bewusst und haben daher keinen Grund zu rebellieren. Dennoch wünschen sich viele von ihnen – im Sinne des amerikanischen Traums – eines Tages einmal aufzusteigen, nicht nur um sich mehr leisten zu können, sondern auch um zum produktiven Teil der Gesellschaft zu gehören.
Die Besserverdiener müssen hingegen vieles selbst bezahlen und deutlich mehr arbeiten, können sich dafür aber viel mehr leisten. Den Hightech schätzen viele der Reichen, doch zahlreiche Arme ziehen sich auch einfach in die Natur zurück und beschränken sich im Sinne einer umweltbewussten Einstellung und einem „back to nature“ auf das Wesentliche. Es geht das Gerücht um, dass die Wohlhabenden wegen des bei ihnen grassierenden Burnouts trotz ihrer medizinischen Überlegenheit eine kürzere Lebenserwartung hätten.
Letztlich respektiert man einander, zumal die Schichten durchlässig sind und nur das Leistungsprinzip entscheidet, wo man lebt. Viele plädieren dafür, dass sich die beiden Schichten künftig nur noch als die „Fleißigen“ und die „Chiller“ bezeichnen. Doch trotz dieses weitgehend harmonischen Nebeneinanders – der Versuch eines gewaltsamen Durchbrechens von Armen in das Viertel der Bessergestellten, ohne die entsprechenden Leistungen erbracht zu haben, endet leider oft tragisch…
Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…
1. Akt: Auf der Straße
Max und Moritz treffen sich auf der Straße und begrüßen sich mit einem komplizierten Handschlag.
Max: Wie geht es deiner Familie?
Moritz: Ja, meiner Familie geht es gut.
Max: Und ansonsten alles fit?
Moritz: Ja, läuft!
Max: Ich muss sagen, ich habe keine Lust mehr auf diese Seite. Ich will rüber.
Moritz: Warum? Wir haben doch hier alles.
Max: Auf der anderen Seite gibt es viel mehr Autos!
Moritz: Hmm.
Max: Ej, komm, versuchste mit rüberzukommen?
Moritz: Ich habe gehört, dass es nicht so gut ist, wenn du versuchst, da ohne Erlaubnis einfach über den Zaun zu klettern.
Max: Was soll denn da passieren?
Moritz: Naja, da verletzt du dich.
Max: Nee, das stimmt bestimmt nicht.
Moritz: Naja, ich wünsche dir viel Glück!
Max: Jo, wir sehen uns!
Max macht sich auf den Weg zum Zaun. Als er ihn erreicht, versucht er herüberzuklettern. Doch bei der ersten Berührung des Stacheldrahts auf dem Zaun trifft ihn ein tödlicher Stromschlag und er fällt leblos zu Boden. Daraufhin kommt ein Wächter und entdeckt ihn.
Wächter (murmelt mit hörbarem Unverständnis): Oh, da ist schon wieder jemand gegen die Wand gelaufen. Ich glaub’s ja nicht. Na gut, dann rufe ich mal den Sanitäter an.
Ein Sanitäter kommt herbeigefahren und hält ein Gerät an den leblosen Körper. Es piept und piept und am Ende schüttelt er nur den Kopf.
Sanitäter: Der ist tot.
Wächter: Klar. Also, wie immer: Vorname?
Sanitäter: Mark.
Wächter: Nachname?
Sanitäter: Schweinsteiger.
Wächter: Alter?
Sanitäter: 33.
Wächter: Beruf?
Sanitäter: Atomkraftwerktechniker. Gestorben.
Wächter: Komm, wir legen ihn da rüber.
Die beiden schleifen die Leiche in eine Ecke und lassen sie dort liegen.
2. Akt: Im Büro beim Chef einer Hoverbike-Firma
Herr Meier tritt in das Büro von Herrn Dr. Pulert hinein, sie schütteln die Hände und setzen sich.
Dr. Pulert: Ich muss mit Ihnen über eine wichtige Angelegenheit reden. Ich muss schon sagen, Sie haben sich in letzter Zeit sichtbar angestrengt. Deswegen werde ich Sie befördern. Sie erhalten ein höheres Einkommen und zwar in diesem Monat sogar in bar. Hier, nehmen Sie, Sie haben sich es wirklich verdient.
Er klopft ihm anerkennend auf die Schulter und übergibt ihm das Geld.
Herr Meier: Oh, toll, danke! Auf Wiedersehen, Chef!
Dr. Pulert: Kein Ding, schönen Tag noch!
Herr Meier geht mit seinem Geld durch das Zauntor und nähert sich der Grenzkontrolle.
Grenzer: Guten Tag! Name und Alter?
Herr Meier: Ich bin – ähm – Anonymus (grinst stolz) und 23 Jahre alt. Und mein Einkommen beträgt jetzt 5.000 Euro (er schiebt sein ganzes Geld rüber).
Grenzer (schaut ihn misstrauisch an): Lassen Sie mich mal nachzählen (zählt nach und nickt). Ok gut. Hier bekommen Sie noch einen Flyer. Da können Sie sich noch anschauen, was es in Reichenhall Schönes zu sehen gibt.
Herr Meier (schaut auf den Flyer und ruft freudig): Geil! Ein Casino!
Grenzer: Der nächste, bitte (der nächste tritt ein). Name und Alter bitte.
Passant: Alex, 20 Jahre.
Grenzer: Das Einkommen bitte.
Passant (legt sein Einkommen vor): 2.500 Euro.
Grenzer (flüsternd durch das Headset zur Security-Firma): Ich habe hier eine Person mit niedrigem Einkommen. Bitte aufpassen! (zum Passanten) Sie dürfen hier leider nicht durch, weil Ihr Einkommen zu niedrig ist.
Der Passant dreht sich zum Tor, um wieder zurückzugehen. Auf einmal macht er kehrt und stürmt zurück in die Welt der Reichen. Der Sicherheitsbeamte ahnt es, fängt ihn ab und begleitet ihn zurück zum Ausgang.
3. Akt: Im Casino
Herr Meier sitzt vorm Croupier im Casino mit einem Stapel Chips und freut sich auf das anstehende Roulette-Spiel.
Herr Meier: Ja, guten Tag! Ich würde hier gerne Roulette spielen.
Croupier: Bitte schön, viel Spaß beim Spiel!
Angestellter: Na, dann werde ich mal einen Fuffi auf rot einsetzen.
Croupier (wirft die Kugel, diese fällt auf ein rotes Feld): Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen! Es scheint ja heute Ihr Glückstag zu sein. Ich würde an Ihrer Stelle alles auf eine einzige Zahl setzen.
Angestellter: Ja, gute Idee (setzt auf seine Lieblingszahl 7 und wartet ab, doch es fällt die 13).
Croupier: Uh, das sieht gar nicht gut aus. Sie haben leider alles verloren.(spricht kaum hörbar ins Headset) Hallo 7227, wir haben hier einen Kandidaten. Sie müssen schnell kommen und ihn abholen.
Der Sicherheitsbeamte kommt und stellt sich breitbeinig vor Herrn Müller.
Sicherheitsbeamte: Sie müssen das Casino sofort verlassen. Ihr Vermögen reicht nicht mehr aus, um hier bleiben zu können.
Der Sicherheitsbeamte begleitet Herrn Müller zum Zaun und führt ihn zur anderen Seite. Herr Müller geht fluchend wieder nach Hause.