Der Handchip

Zeitreise-Bericht der Klasse 10C der Sekundarschule „Adolf Diesterweg“ (SKS) Stendal vom 29. bis 30. September 2022


Deutschland im Jahr 2045

In dieser Zukunft leben die Menschen in einfachen Mehrfamilienhäusern. Große Villen und Stadthäuser kann sich kaum eine Person leisten. Die Menschen haben ein ähnliches Lebensniveau, welches aber jährlich sinkt. Schuld daran ist der hohe Energieverbrauch, der durch die Produktion von Kryptowährungen entsteht.

Die Regierung schwört seit Jahren, dass diese Kryptowährungen der Schlüssel zu mehr Wohlstand und zu besseren Chancen im globalen Wettbewerb seien. Dieses Versprechen wurde bisher jedoch noch nicht eingelöst. Stattdessen bittet die Regierung um mehr Geduld und überwacht die Bevölkerung mit Drohnen, die immer wieder aufkeimende Proteste verhindern. Auch Polizeiroboter greifen ein, wenn die Demonstrationen drohen zu eskalieren.

Manche Menschen vermuten, dass selbst die Vögel am Himmel mit Kameras ausgestattet sind und die Bevölkerung überwachen – so weit geht das Misstrauen gegen die Regierung.


Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…

1. Akt: Auf dem Weg zur Kita

 Handelnde Personen:  

  • Tino – Vater von Lizzie  
  • Lizzie – 4 Jahre alt  

Tino fährt seine Tochter Lizzie wie jeden Morgen zur Kita. Wie an jedem Morgen fahren sie an Hunderten Kameras vorbei, die an Laternen, Bushaltestellen, Bäumen und Gebäuden angebracht sind. Doch dieses Mal wird eine Kamera gewartet, was Lizzie sofort auffällt. Sie fragt ihren Vater danach.

Lizzie (fragend): Papa, warum gibt es so viele Kameras?

Tino (seufzt): Diese Kameras sind dazu da, um auf die Menschen aufzupassen und zu gucken, was wir so machen.

Lizzie (neugierig): Aber warum denn? Wieso wollen sie denn wissen, was wir machen?

Tino (seufzt wieder): Naja. Es gibt vielleicht auch irgendwo Menschen, die mal etwas Böses tun und dann kann man diese Menschen besser verfolgen. (er macht eine kurze Pause) Und die Kameras gucken auch, ob sich irgendwo Gruppen versammeln, um zu protestieren.

Lizzie (aufgeregt): Was ist Protestieren, Papa?

Tino (schnell): Aaah. Guck mal, Lizzie. Da sind wir schon an deiner Kita. Und guck mal, dein Freund Lino ist auch schon da. Siehst du ihn?

Da hat Tino es sich aber leicht gemacht, seine Tochter von dieser Frage abzulenken. Werden wirklich nur Menschen, die Straftaten begehen, von diesen Kameras erfasst? Und wer versucht zu protestieren und gegen was?


2. Akt: Polizeikontrolle

 Handelnde Personen:  

  • Tino  
  • Polizeibeamter  
  • Polizeibeamte  

Tino hat Lizzie an der Kita abgesetzt und fährt weiter, um seinen Vater abzuholen. Er möchte ihn bei einem Termin beim Bürgeramt begleiten und sollte nicht zu spät kommen. Doch ein Polizeiwagen vor ihm winkt ihn raus. Ein dicker Polizeibeamter mit Schnurrbart beugt sich zu ihm runter und klopft energisch gegen seine Fensterscheibe.

Tino (verwundert): Guten Tag, was gibt es, Officer?

Polizeibeamter (unfreundlich): Machense ma schön dit Fenster runter. Dit is ne Verkehrskonstrolle.

Seine Kollegin tritt ebenfalls an Tinos Auto heran.

Polizeibeamtin (freundlich): Guten Tag, bitte einmal ihren Führerschein zeigen. (nimmt den Führerschein und gibt ihn an ihren Kollegen weiter, der nimmt ihn und geht damit weg) Und hier einmal bitte Ihre Hand vorhalten (deutet auf ein Scangerät), damit wir Ihren Chip scannen können.

Tino (betont höflich): Aber warum denn bitte? Es ist 7.30 Uhr morgens, ich habe gerade meine Tochter zur Kita gefahren. Sie sehen hinter mir den Kindersitz? Ich würde mir niemals etwas zu Schulden kommen lassen. (hebt defensiv die Hände)

Polizeibeamtin: Aber darum geht es doch hier gar nicht. Das ist eine reine Routinekontrolle. Wenn uns nichts auffällt, können Sie ja ganz in Ruhe weiterfahren. Reine Routine. (sie hält ihm das Scangerät entgegen). Und nun einmal die Hand vorzeigen bitte.

Tino hält widerwillig seine Hand mit dem eingepflanzten Chip an den Scanner. Er seufzt.

Polizeibeamtin (lächelt künstlich): Na, das war doch gar nicht so schwer, oder? Ergebnis sollte gleich da sein. Bitte warten Sie solange hier.

Eine kurze Zeit vergeht, in der Tino immer wieder nervös auf die Uhr schaut.

Polizeibeamtin (hält Tino seinen Führerschein hin): Alles klar, der Test scheint in Ordnung zu sein. Sie können dann weiterfahren. Wir wünschen Ihnen noch einen angenehmen Tag.

Sie entfernt sich vom Auto und winkt ihn durch. Im Hintergrund hat der Polizeibeamte bereits das nächste Auto heraus gewunken.


3. Akt: Beim Bürgeramt

 Handelnde Personen:  

  • Tino  
  • Bruno – Tinos Vater, 83 Jahre alt  
  • Beamter  

Tino hat es doch noch pünktlich zum Termin seines Vaters geschafft und lässt sich im Wartezimmer neben seinen Vater plumpsen.

Bruno (grummelig, ohne zu begrüßen): Ich sag dir, Tino. Früher durften wir noch machen, was wir wollten. Da war das alles noch nix mit diesen ganzen Kameras und diesen Drohnen und dem ganzen Schmu.

Tino (lächelt zustimmend und klopft seinem Vater liebevoll auf die Schulter): Ich weiß, Papa. Ich weiß.

Der Chip in Tinos Hand vibriert leicht, als die Wartenummer seines Vaters aufgerufen wird.

Chip: Bzzzzt.

Bruno und Tino stehen auf und gehen zum Schalter, hinter dem ein unglücklich aussehender Beamter sitzt.

Beamter (grummelig): Herzlich willkommen im Bürgeramt, was kann ich für Sie tun?

Bruno (knallt seine Unterlagen auf den Tisch): Ich muss meinen Ausweis verlängern.

Tino (lächelt im Hintergrund den Beamten entschuldigend an): Der Ausweis ist schon etwas länger abgelaufen. Aber jetzt haben wir es endlich geschafft zu…

Beamter (unterbricht ihn): Na dann mal bitte ihre Handchips vorhalten. (deutet auf das Scangerät neben ihm).

Bruno (empört): Ich hab keinen Chip und ich will auch keinen Chip.

Beamter (überrascht): Jede Person hat hier inzwischen einen Handchip. Sie können nicht einfach ohne Chip hier…

Bruno (aufbrausend): Ich hab gesagt, ich hab keinen Chip und ich will auch keinen Chip. (er haut mit der Faust auf den Tresen)

Tino (verzweifelt): Sehen Sie, Sir, mein Vater ist schon etwas älter. Er ist eine Generation, die noch keine Chips kannte und Sie wissen ja, wie das ist mit älteren Menschen, die wollen ja manchmal…

Bruno (unterbricht ihn und schnauzt den Beamten an): Sooo alt bin ich noch nicht, Sohnemann. Ich hab sehr wohl noch alle Glühbirnen am Zaun. Ich hab keinen Chip und ich will meinen Ausweis verlängern. Basta.

Beamter (völlig perplex): Aber wir können Ihren Ausweis nicht ohne Chip verlängern. Dafür sind unsere Systeme gar nicht ausgelegt.

Tja, wie verhält man sich in einer solchen Situation? Machen diese Chips vielleicht auch Sachen wie beim Bürgeramt einfacher? Oder diesen sie wirklich nur der Überwachung?