Zeitreise-Bericht der Gruppe 2 am Burgenland-Gymnasium Laucha vom 16. bis 17. September 2021
Deutschland im Jahr 2040
Auf den folgenden Tagebucheintrag „der Retterin“ sind die Zeitreisenden gestoßen:
Die Ordnung ist wiederhergestellt und stabil. Bereits früher war die Schere zwischen Arm und Reich weit geöffnet. Doch nun geht sie noch weiter auseinander, mit dem Unterschied, dass alle glücklich sind – mehr oder minder freiwillig.
Als ich an die Macht kam, durch Wahlen, habe ich dieses Land aufgebaut und die Existenzangst seiner Bürger verringert. Vielleicht fragt sich die Nachwelt, wie ich das erreicht habe? – Ganz einfach, durch ein paar Gefälligkeiten für die Armen, vor allem jedoch durch KI und Manipulation in Gestalt von Robotern.
Wir Reichen finanzieren durch Steuern die Mieten der Armen und statten sie mit kostenlosen Robotern aus. Das steigert die Zufriedenheit unter den Armen ungemein. Dennoch sind manche – das liegt wohl in der Natur des Menschen – immer noch oder wieder unzufrieden. Doch die Roboter eliminieren alle kritischen Gedanken ihrer Hausherren. Sie werden in die Familien gebracht und kümmern sich um alle familiären Angelegenheiten. Die armen Bürger denken, dass wir ihnen die Roboter schenken, damit sie die Kinder erziehen und sich um ihre Gesundheit kümmern. Doch ist dies nur Hilfe zur Selbsthilfe. In Wahrheit erziehen die Roboter die Kinder zur Zufriedenheit mit der Regierung. So sehen sie letztlich meine Politik als absolut und vollkommen an und wählen mich auch jedes Jahr wieder. Sie haben gelernt, dass ich mich um sie kümmere. Ebenso ist die Medizin mehr Mittel zum Zweck. Durch KI können die Roboter einschätzen, welche Personen gegen mich sind. Diesen verabreichen sie Tabletten, die zu einer Betäubung der Sinne führen und die Zufriedenheit fördern.
Das Parlament existiert nicht mehr, es wurde abgewählt in meiner ersten Wahlperiode. Dennoch simulieren bzw. manipulieren wir Wahlen und werben für meine Partei, und zwar das ganze Jahr über und in allen Formen. So halten wir uns stets im Gedächtnis und den Schein der Demokratie aufrecht.
In der Schule gibt es auch eine Unterteilung in Arm und Reich, doch alle besuchen gemeinsam das Fach „Aktuelle Hilfe“, in dem meine Verdienste geehrt werden. Ansonsten unterscheiden sich die Schulformen jedoch sehr. Die Reichen bekommen Unterricht von Menschen, die Armen von Robotern. Die Reichen werden zu eigenständigem Handeln und Erfinden von technischen Neuerungen erzogen, die Armen hingegen zu Naivität und unbedingter Folgsamkeit, sodass sie sich mit sehr wenig zufriedengeben.
Wenn Ihr in unsere Stadt kommt, so trefft ihr im Stadtzentrum auf Arme und Reiche, da die Armen für die Reichen putzen, kochen usw. Doch ihre Wohngebiete sind von denen der Reichen getrennt. Sie wohnen nicht wie die Reichen im Zentrum, sondern am Stadtrand.
Für unsere Parteiwerbung haben wir einen zentralen Slogan, auf den ich sehr stolz bin. Er lautet: „Wir sind immer da!“ – Das ist natürlich doppeldeutig. Einmal bedeutet es, dass wir uns immer um die Armen kümmern, und zum anderen, dass wir sie stets durch die Roboter überwachen. Doch der naive Arme denkt bloß, dass wir ihn fördern. Nur der Reiche versteht die Ironie.
Die Technik unseres Alltags wird von Apple hergestellt. Sie produzieren auch die Roboter, die sogenannten iTechs. Doch hat jeder dieser KI-Roboter einen eigenen Namen, der ihm von der jeweiligen Familie gegeben wurde, um eine familiäre Beziehung, ja ein Vertrauen zum Roboter aufzubauen. Und ja, es ist die reinste psychologische Manipulation, wenn der Roboter der engste Freund des Armen ist, mit ihm Fußball spielt, sich um ihn und seine Familie kümmert und in der Schule hilft.
Die Reichen haben aber keinen Kontakt mit den iTechs, da sie keine Manipulation benötigen. Sie sind dank ihres Reichtums von Grund auf glücklich. Und siehe da, es funktioniert! Seit Jahren leben wir friedlich zusammen, trotz der großen sozialen Unterschiede. Ich habe es geschafft – ich habe unser Land gerettet.
Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…
1. Akt: In der Machtzentrale
In der Machtzentrale empfängt die Retterin ihren Überwachungsleiter (ÜWL).
ÜWL: Guten Tag, Frau Retterin!
Die Retterin: Bitte nehmen Sie Platz! Ich wollte mit Ihnen einige Punkte und nicht zuletzt die Wahl besprechen. Wie sieht’s eigentlich mit den Robotern aus? Ist die letzte Charge schon vom Band?
ÜWL: Ja, es wurden jetzt alle produzierten Roboter an die armen Familien ausgehändigt und somit haben wir die Kontrolle übernommen.
Die Retterin: Und die Zufriedenheitsskala, wie sieht die aus?
ÜWL: Ja, die Zufriedenheit steigt immer weiter an und bald wird eine totale Zufriedenheit erreicht sein.
Die Retterin: Und die Steuern?
ÜWL: Ja da wir bereits alle Roboter ausgehändigt haben, könnten wir nun eigentlich die Steuern für die Reichen etwas senken.
Die Retterin: Senken?
ÜWL (verunsichert): Ja!?
Die Retterin (zynisch): Denken Sie, das bezahlt sich alles von alleine? Die Roboter brauchen regelmäßige Reparaturen. Hier wird nichts gesenkt!
ÜWL: Ok, dann belassen wir die Steuern auf dem jetzigen Niveau.
Die Retterin: Nun zu den Wahlen, wie sieht’s da aus?
ÜWL: Ja, Ihre Wiederwahl ist gesichert. Sie gewinnen immer mehr an Stimmen, da nun auch viele arme Leute für Sie sind.
Die Retterin: Und wie steht’s eigentlich um die neuen Tabletten?
ÜWL: Ja, unsere Chemiker werden noch ein, zwei Wochen brauchen…
Die Retterin (fällt ihm ins Wort): Wochen?
ÜWL: Ja, Wochen, bis sie eine hundertprozentig wirksame Tablette haben.
Die Retterin (zunehmend ungeduldig): Ich gebe Ihnen ein bis zwei Tage, danach muss das stehen!
ÜWL: Ok, ich werde noch mal mit den Chemikern reden, damit sie sich mehr beeilen.
Man hört einen zweifachen Piepton. Der ÜWL schaut auf seinen Holo-Kommunikator, auf dem eine Nachricht eingegangen ist.
ÜWL: Oh Entschuldigung, es gibt einen Notfall!
Die Retterin: Zeigen Sie her!
ÜWL: Ja hier! (zeigt den Kommunikator, der die Geschehnisse im Hologramm-Modus darstellt) Also ich muss kurz einen Roboter… (verunsichert) Ja, in einer armen Familie gibt es ein Problem, aber das wird der Roboter sofort regeln.
2. Akt: In der Armenwohnung
In der Armenwohnung, die vom Überwachungsleiter observiert wird, hilft der Roboter Stella der Mutter beim Zusammenlegen der trockenen Wäsche. Im Hintergrund läuft eine Unterhaltungssendung auf einem veralteten Fernseher noch ohne Hologrammtechnik.
Mutter (zum Roboter): Dankeschön, Stella! Wir sind fertig.
Die Tochter kommt von der Grundschule nach Hause und stürmt in die Wohnung.
Mutter: Hallo, mein Schatz! (umarmt ihre Tochter) Na, wie war die Schule?
Tochter: Eigentlich ganz cool! Ja toll!
Mutter: Das ist schön! Und was hast du heute für ein Fach im Hort gehabt?
Tochter: Ich hatte „Aktuelle Hilfe“.
Mutter: Und hat’s Spaß gemacht?
Tochter (bedrückt): Ja, aber…
Mutter: Was?
Tochter: Na „Aktuelle Hilfe“ haben wir mit allen gemeinsam. Das ist toll! Aber den meisten Unterricht haben wir (armen Kinder) mit Robotern. Die sind blöd! Und die anderen (reichen Kinder) haben mit Lehrern Unterricht.
Mutter: Ach echt?
Tochter: Ja!
Mutter (besorgt zum Roboter): Stella, was ist mit der Kleinen?
Roboter: Ich glaub, sie hat Eisenmangel.
Der Roboter bringt der Tochter eine Tablette.
Tochter (skeptisch): Was ist das?
Roboter (bemüht freundlich): Iss, das hilft!
Tochter: I, das schmeckt nicht!
Mutter: Aber das hilft dir! Nun erzähl noch mal, wie war die Schule?
Tochter (strahlend): Ja Roboter-Unterricht ist cool!
Aus dem veralteten Kommunikator (ohne Holo-Funktion) der Mutter ertönt ein doppelter Erinnerungston.
Mutter: Oh nein, ich muss zur Arbeit! (zur Tochter) Du spielst solang mit Stella! Ich komm heut Abend wieder.
Tochter (überfröhlich): Tschüss, Mama!
Mutter: Tschüss!
3. Akt: In der Machtzentrale
ÜWL: Wie Sie sehen (zeigt der Retterin ein Hologramm-Video von der Armenfamilie auf dem Kommunikator), haben wir die Situation wieder unter Kontrolle. Alles läuft also.
Die Retterin: Wie heißt diese Einheit?
ÜWL: Der Roboter ist der X 419.
Die Retterin: Ich möchte, dass diese Einheit unverzüglich einen Award bekommt.
ÜWL: Ok, das werde ich sofort veranlassen.
Die Retterin: Warten Sie noch, bevor Sie gehen! Ich würde gern der Mutter folgen. Ich möchte gucken, wie es aussieht im Stadtzentrum bei den Reichen.
ÜWL: Aber natürlich! Hier, bitteschön! (reicht der Retterin den Holo-Kommunikator)
4. Akt: In einer Reichenwohnung
Der Kommunikator zeigt, wie die Mutter aus dem Armenviertel vom Stadtrand ins Zentrum fährt, wo die Reichen wohnen. Hier betritt sie, nachdem sie von einer Überwachungskamera identifiziert wurde, das Wohnhaus der Familie Witch, um ihrer täglichen Putzarbeit nachzugehen.
Die arme Mutter – Reinigungskraft: Guten Tag, Mister Witch!
Vater: Sie sind (überprüft skeptisch seine Holowatch) 2 Minuten und 10 Sekunden zu spät!
Reinigungskraft (sehr freundlich): Das tut mir sehr leid, aber mein Kind hat mich aufgehalten.
Vater: Naja egal! Fangen Sie einfach an zu putzen!
Die Reinigungskraft macht sich zunächst in der oberen Etage an die Arbeit, im Zimmer des 15jährigen Sohns. Dieser verlässt deshalb sein Zimmer und geht nach unten.
Sohn: Hallo, Papa!
Vater: Hallo, mein Lieber!
Sohn (aufgeregt): Ich muss mit dir was Wichtiges klären. Mein neues E-Car (ab 14 Jahren darf ein autonom gesteuertes Auto gefahren werden), wann kriege ich das endlich?
Vater (gutmütig): Du, ich muss jetzt erst mal die Steuern bezahlen und dann reden wir weiter.
Sohn (ungläubig): Was für Steuern?
Vater: Nun, jetzt bist du ja schon alt genug, um es dir zu sagen. Also unsere Bevölkerung ist in zwei Schichten aufgeteilt. Es gibt die armen Leute und uns, die Reichen, und das alles dank der Retterin.
Sohn (begeistert): Gott segne die Retterin!
Vater: Gott segne die Retterin! – Mit unseren Steuern finanzieren wir die Roboter für die armen Leute.
Sohn: Gott segne die Retterin! Gott segne die Reichen!
Vater: Und wir dürfen dafür kostenlos in unserem wunderschönen Haus wohnen.
Sohn (etwas gelangweilt): Ah, interessant! Das musst du mir später noch mal genauer erklären.
Vater: Ja gut!
5. Akt: In der Machtzentrale
ÜWL: Also Sie sehen auch die Zufriedenheit unter den reichen Leuten. Und Sie werden auf jeden Fall die nächste Wahl gewinnen!
Die Retterin: Aber denken Sie an die neuen Tabletten spätestens in zwei Tagen, nein besser schon morgen!
ÜWL: Ja, ich werde sofort noch mal mit den Chemikern reden.
Die Retterin: Sie sind entschuldigt!
ÜWL: Ok! Einen schönen Tag noch, Frau Retterin!
Der Überwachungsleiter hat kaum die Zentrale verlassen, da bricht die Freude aus der Retterin heraus.
Die Retterin: Endlich habe ich das geschafft, was ich schon immer schaffen wollte!
Sie lacht laut auf und labt sich an ihrem Erfolg.
Lektorat: sb