Die (un)gewollte Ungleichheit

Zeitreise-Bericht der Klasse 10b der Saaleschule für (H)alle vom 19. bis 20. Dezember 2022

Deutschland im Jahr 2045

Wir leben in einer Zeit mit einer extremen Schere zwischen Arm und Reich, die sich immer weiter öffnet. Zwei große Parteien ringen miteinander um die Macht die Demokratische Einheitspartei (DEP) und die Partei für die Freiheit (PFF). Während die DEP von den reichen Menschen unterstützt wird, versteht sich die PFF als das Sprachrohr der ärmeren Bevölkerungsschichten. Gerade sind die Bundestagswahlen zu Ende gegangen, bei denen dank Manipulation die DEP ihre Macht halten konnte.

Im Land herrschen schon seit Jahren weitreichende Einschränkungen, die mit Gesundheits- und Hygienerisiken begründet werden. In der Praxis betreffen sie die Viertel der Armen, in denen nach 20 Uhr niemand mehr unterwegs sein darf, um Menschenansammlungen oder Barbesuche zu verhindern. Modernste Überwachungsmaßnahmen schafften es bislang, die Menschen zu konditionieren, da bei Verstößen hohe Geldstrafen winken.

Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…

1. Akt: Auf der Parteiversammlung

 Handelnde Personen:  

  • Kai – Mitglied der Parteiführung der regierenden DEP  
  • Nora – Mitglied der Parteiführung der regierenden DEP  
  • Justus – Mitglied der Parteiführung der regierenden DEP  

Die Parteiführung der DEP wertet bei einem Treffen den kürzlich zu ihren Gunsten manipulierten Wahlsieg aus.

Kai: Schön, dass wir uns heute versammelt haben. Lasst uns zunächst einen Blick auf die Börse werfen und dann zu unserem Wahlsieg kommen, wobei beides natürlich miteinander zu tun hat.

Nora: Die Aktien stehen sehr gut für uns, sie steigen seit unserem Sieg und wir werden auch mehr Gewinn machen. Bislang ist unbekannt, ob die ärmere Bevölkerung ihren Widerstand gegen die Maßnahmen intensivieren wird. Dann könnte es nochmal schwieriger für uns werden, denn das mögen die Investoren einfach nicht. Doch zunächst sollten wir den Moment nutzen und die nächsten vier Jahre wieder daraufhin arbeiten, dass uns die Mehrheit nicht mehr genommen werden kann.

Justus: Und ja zum Thema der Bundestagswahlen. Laut offizieller Zahlen haben wir die Wahlen wieder mit deutlichem Abstand gewonnen. Doch wir müssen vorsichtig sein. Dieser Sieg war nur dank massiver Eingriffe in den Zählprozess möglich, den wir in den von uns kontrollierten elektronisch abstimmenden Bezirken sicherstellen können, nicht aber dort in den Slums, wo es weiter erlaubt ist, auf Papier zu wählen. Natürlich ist unser Sieg ein Grund zur Freude, doch lasst uns nicht leichtgläubig sein. Der Gegner hat das Potential, die Massen zu mobilisieren. Und die dann wieder zu beruhigen, kostet uns ganz schön viel Zeit und Kapital.

Kai: Mit roher Gewalt gegen Protestierende brauchen wir gar nicht erst anfangen. Das hat vielleicht früher funktioniert, doch heut gehen wir viel effizienter vor.

Nora: Wir sollten versuchen, einige Politiker dieser PFF zu kaufen, die sind doch bestimmt auch geldgeil und gleichzeitig schüren wir Unfrieden in diesem Laden.

Justus: Einen Versuch könnte man wagen. Doch wir müssen aufpassen, ansonsten ist unsere Macht wieder gefährdet, denn die Mehrheit steht eindeutig nicht hinter uns.

Sie vereinbaren den nächsten Termin, schütteln sich die Hände und verlassen den Tagungsraum.


2. Akt: Zu Hause

 Handelnde Person:  

  • Jakob – Anhänger der oppositionellen PFF  

Draußen regnet es und Jakob hockt wie jeden Tag über seinem Tagebuch.

Jakob (schreibt in sein Tagebuch): Es ist der 24. Dezember 2042. Heute war wieder ein schwerer Tag. Früher hätten die Menschen wohl ein Fest gefeiert, es hieß Weihnachten. Doch nun sind alle Feiertage abgeschafft, um uns weniger Freizeit zu gönnen. Die meisten hat es wohl auch nicht gestört, da die Gesellschaft immer weniger religiös ist.

Es ist wieder ziemlich kalt draußen und die Wände unserer Wohnung sind sehr dünn. Es ist bedrückend, in dieser Enge eingesperrt zu sein. Ab 20 Uhr gilt die Ausgangssperre, was heißt, dass wir der Wohnung nicht mehr entfliehen können. Wirklich belastend ist, wenn wie bei uns mehrere Generationen in einer Wohnung leben müssen. Für die Reichen gilt das nicht, da sind wir uns alle sicher. Sie wollen wohl den Abend für sich haben und wir sollen ihnen dabei nicht in die Quere kommen.

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander und die Politik ist nicht daran interessiert, hieran etwas zu ändern. Ein Lichtblick ist der Wahlerfolg unserer neuen Partei der Freiheit. Sie hat zwar die letzten Wahlen verloren. Doch sie macht Hoffnung darauf, dass auch unsere Interessen in den Blick genommen werden und unser Leben endlich wieder lebenswert wird.

Es gibt die Vermutung, dass die Wahl manipuliert wurde, doch das können wir kaum überprüfen, denn es wird vermehrt elektronisch gewählt und es gibt kaum Kontrollinstanzen. Nun hoffen wir, dass unser passiver Widerstand wächst und einige Streiks die Reichen dort oben zumindest verängstigen, damit sie ihre Politik gegenüber uns verändern.

Jakob schaut ängstlich auf, doch es war nur ein Donner in der Ferne.


3. Akt: Protest auf der Straße

 Handelnde Personen:  

  • Roland – Anhänger der oppositionellen PFF  
  • Jakob – Anhänger der oppositionellen PFF  
  • Kai – Mitglied der Parteiführung der regierenden DEP  
  • Nora – Mitglied der Parteiführung der regierenden DEP  

In den ärmeren Vierteln regt sich Widerstand gegen eine abermalige Verlängerung der Ausgangssperren. Mitglieder der EPD haben sich unter die Menge gemischt, um die Stimmung unter den Protestierenden besser zu verstehen.

Roland: Wir haben die Schnauze voll! Lasst uns diese Verbrecherbande nun wegjagen. Jahrelang wird uns hier eine Gefahr vorgegaukelt und wir werden eingesperrt. Angeblich gibt es Fortschritt überall, doch bei uns kommt nichts davon an. Wir haben es satt. So kann das nicht weitergehen.

Jakob: Roland, ich verstehe dich da, unser Zustand ist wirklich traurig. Doch bedenke mal, dass eine gewaltsame Revolution gerade niemandem nützt. Das stürzt uns alle nur weiter in Chaos. Lass uns doch versuchen, einerseits zivilen Ungehorsam zu leisten und andererseits darauf zu vertrauen, dass wir durch demokratische Wahlen mit unserer Partei PFF mehr Einfluss gewinnen und schließlich auch einmal regieren können. Wir müssen versuchen, uns durch unsere Arbeit unverzichtbar zu machen, sonst hat die Regierung noch mehr Argumente, bislang bestehende Arbeitsplätze wegzurationalisieren und durch Roboter zu ersetzen.

Roland: Ja, vielleicht hast du recht. Doch ich bin so wütend, dass wir in unserer Armut gefangen sind. Andererseits sollten wir vielleicht wirklich nicht gleich das ganze System zerschlagen, sonst sind wir so sehr geschwächt, dass wir leichte Beute für ausländische Mächte werden.

Die beiden EPD-Spione wenden sich ab und unterhalten sich miteinander.

Kai: Hörst du, Nora, die Wut ist groß. Da ist ordentlich Dampf im Kessel. Ich finde, da sollten wir besonnen vorgehen und auf keinen Fall eine Eskalation provozieren.

Nora: Da hast du recht. Wir sollten nicht vorschnell handeln und versuchen, wichtige Leute von der PFF abzuwerben. Zwar können wir sie elektronisch sehr gut überwachen, doch das Bewusstsein der Massen schaffen auch die neuesten Erfindungen noch nicht zuverlässig zu manipulieren und kontrollieren.

Kai: Ganz recht. Spione sind da wohl immer noch die beste Lösung. Ich erinnere mich noch an den Versuch, den politischen Gegner mit einer künstlichen Intelligenz zu infiltrieren. Die richtete sich schließlich fast schon gegen uns, weil sie die Argumente der Armen viel besser verstand und adaptierte. Zum Glück hatten wir noch einen Notfallschlüssel, mit dem das Programm schließlich heruntergefahren werden konnte.

Nora: Wie du siehst, können selbst wir mit unserer politischen Macht der Technik nicht ganz vertrauen. Einiges sollten wir nun auch mit den unteren Schichten teilen, damit der Alltag erträglicher wird. Da werden sich die Proteststimmungen schon bald legen.

Kai: Das werden wir beim nächsten Parteitreffen vorschlagen. Wir müssen alle am Fortschritt der digitalen Revolution teilhaben lassen. Sollte das System kollabieren, haben wir alle ein Problem, bei dem wir alles verlieren könnten. 

Die beiden verabschieden sich und gehen getrennte Wege.


Redaktion: sm.