Der designte Nachwuchs

Zeitreise-Bericht der Klasse 10a der Saaleschule für (H)alle vom 19. bis 20. Dezember 2022

Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…

1. Akt: Zu Hause

 Handelnde Personen:  

  • Helene  
  • Best-Buddy-Roboter  

Wir befinden uns im Hologramm-Ankleidezimmer, in dem Helene mithilfe ihres Best-Buddy-Roboters ihr Outfit für den Tag auswählt. 

Helene (verunsichert): Best-Buddy, soll ich heute das gelbe Kleid anziehen oder doch lieber den schwarzen Hosenanzug? 

Best-Buddy-Roboter: Laut einer gerade durchgeführten Echtzeitumfrage unter meinen Kollegen ist heute schwarz angesagt. Deshalb empfehle ich den Hosenanzug und das dazu passend abgestimmte Schminkdesign, das ich sogleich im Hologramm darstellen werde. Wenn es gefällt, kann ich es sogleich auftragen lassen.

Helene: Vielen Dank, Best-Buddy! Was würde ich nur ohne dich tun? Kannst du mich kurz erinnern, was ich heute noch so vorhabe?

Best-Buddy-Roboter: Natürlich. In einer Stunde ist das Treffen mit Olivia angesetzt. Sie möchte dich bei der Konfiguration deines Wunschkindes beraten. Hiernach bist du beim Online-Nachbarschaftstreffen angemeldet. Es soll um die neue Gestaltung eures Parks in der virtuellen Neighborhood gehen. Ich werde dich zu diesen Terminen begleiten. Du kannst mich jederzeit fragen.

Helene: Dann denk doch bitte daran, mich daran zu erinnern, dass ich noch meiner leiblichen Mutter zu ihrem Geburtstag gratulieren muss. Ich bin ihr ja dankbar, dass sie mich geboren hat. Und doch bin ich froh, dass es heute andere Wege gibt, Nachwuchs zu zeugen. So spart man sich die Schmerzen und muss sich nicht für immer emotional an ihn zu binden. 

Best-Buddy-Roboter: Ja. Das ist vermerkt. Ich unterstütze dich natürlich dabei. Ich habe ein neues Update, das mir erlaubt, besonders einfühlsame Texte individuell zu generieren.

Helene: Super. Dann kann ich mir das zumindest sparen.


2. Akt: Im Café der Klinik für Nachwuchsdesign

 Handelnde Personen:  

  • Helene  
  • Best-Buddy-Roboter  
  • Olivia  
  • Bedienungsroboter-t6  

Die beiden Freundinnen treffen sich im Café in der Klinik für Nachwuchsdesign, in deren Laboratorium auf Wunsch konfigurierte Babys erzeugt werden. Um die körperlichen und emotionalen Folgen einer Schwangerschaft zu vermeiden, haben hier Menschen die Chance, ein Wunschbaby zu bekommen. 

Bedienungsroboter-t6: Willkommen bei bd-Babydesign, der staatlichen Stelle für die konfigurierte Nachwuchserzeugung. Nehmen Sie Platz und lassen Sie sich beraten. Für weitere Wünsche stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.

Helene: Hallo Olivia! Toll, dass wir uns heute treffen konnten. Mein Roboter hatte mich noch an das Treffen erinnert. Ich bin ja so froh, dass du mir helfen kannst, denn eigentlich wollte ich mich mit diesem Thema gar nicht mehr beschäftigen. Doch wie ich sehe, ist es gerade stark in Mode, sich der Kindererziehung zu widmen. Deshalb denke ich darüber nach, etwas Verantwortung für den Nachwuchs zu übernehmen.

Olivia: Ja, fantastisch, dass wir uns treffen. Ich finde es wunderbar, dass uns die Gentechnik erlaubt, die einst gesellschaftlichen Reproduktionsverpflichtungen nun unabhängig und individuell zu gestalten. Dafür können wir uns jetzt ganz auf die positiven Seiten der Beschäftigung mit den heranwachsenden Kindern konzentrieren. Für alles andere gibt es ja Haushaltsroboter.

Helene: Ja, zum Glück werden wir durch die Technik immer mehr von unserem Körper befreit. Das Leben mit einem jungen Körper macht vielleicht noch Spaß, aber später wird es doch immer mehr zur Last. Dank der Roboter und der immer besser ausgebauten virtuellen Realität können wir nun auch im Alter am Leben teilhaben, selbst, wenn wir uns körperlich kaum noch aus dem Bett bewegen können.

Best-Buddy-Roboter: Entschuldigt mich, doch muss ich an die Zeit erinnern. Helenes Terminplan sieht das nächste Treffen schon in einer Stunde vor.

Helene: Danke, Best-Buddy! Ja, dann lass uns mal eine Konfiguration vornehmen. Was kannst du mir empfehlen, Olivia?

Olivia: Ganz im Trend sind gerade wieder die mittelgroße Statur mit blonden Haaren und blauen Augen.

Helene: Wirklich? Ich dachte die Zeiten sind vorüber. Aber na gut, richte ich mich mal nach dem Trend. Ich würde das Baby dann mit männlicher Geschlechtskonfiguration nehmen.

Best-Buddy-Roboter: Du musst auch entscheiden, welchen Charakter und welche Hobbies er haben soll, dann kann ich mich darauf einstellen und schon nach passenden Updates suchen, damit ich mich ideal auf ihn einstellen kann.

Olivia: Also die Zeiten des Hyper-Sportlichen ist vorbei. Dann laugt den Körper zu schnell aus. Ideal wird heute eine Mischung aus gesunder Bewegung und einem ruhigen Gemüt angesehen, da du hiermit am wenigsten Stress zu Hause hast und dem Jungen später ein möglichst lange schmerzfreies Leben vergönnt ist.

Helene: Das hört sich gut an! Best-Buddy, kannst du t6 rufen? Ich möchte diese Eigenschaften gern als Bestellung aufgeben.

Bedienungsroboter-t6: Hier bin ich schon. Ich habe die Informationen bereits empfangen. Wünschen Sie eine geringfügige Beimischung der eigenen Gene? So bekommt das Verhältnis zum zukünftigen Baby noch eine gewisse Note der Vertrautheit.

Helene: Nein danke. Das wäre mir zu viel. Ich möchte ja nicht ewig emotional an dem Jungen hängen, sondern ihn nach einer Weile ins selbstbestimmte Leben entlassen.

Bedienungsroboter-t6: Ich habe verstanden. Die Züchtung könnten Sie dann in drei Monaten abholen, oder wünschen Sie die Ersterziehung outzusourcen, damit Sie ihn bereits mit einem höheren Entwicklungslevel bekommen?

Olivia: Nimm ihn lieber frisch. Da kann man noch am meisten beeinflussen. (mit einem Augenzwinkern) Außerdem bekommt so Best-Buddy auch etwas zu tun, dem soll doch nicht langweilig werden.

Helene: Ich vertraue dir da. Vielen Dank, Olivia. Ohne dich hätte ich diesen Schritt wohl nicht gewagt.

Olivia: Gern geschehen. Du weißt ja, wenn es zu kompliziert wird, kannst du den Kleinen auch immer leicht zurück in die staatliche Obhut geben.

Best-Buddy-Roboter: Es ist Zeit, sich ins Nachbarschaftstreffen einzuwählen. Helene, ich aktiviere deine Brille. 3, 2, 1…

Helene hat es sich im Sessel bequem gemacht und ihre VR-Brille aufgesetzt.


3. Akt: Im virtuellen Park

 Handelnde Personen:  

  • Helene  
  • Robin – Nachbar  
  • Antje – Nachbarin  

Die drei Nachbarn treffen sich im virtuellen Park.

Helene: Hey Antje und Robin! Sind wir die einzigen hier?

Robin: Hey, ja, sieht so aus.

Antje: Ein Jammer. Scheinbar ist den Anderen unser gemeinsamer Park hier vollkommen egal. Dabei ist er doch so leicht erreichbar mit einer Brille. Man muss sich noch nicht mal dahin bewegen.

Helene: Die Leute heute haben einfach keinen Gemeinschaftssinn mehr. Ich muss zugeben, dass ich ja auch einen Roboter habe, der mir oft Gesellschaft leistet, aber ein bisschen Community muss auch mal sein, sonst vergräbt man sich doch in einer Traumwelt.

Robin: Das stimmt. So viele Vorteile die Technik auch mit sich bringt, sie beeinflusst doch unser Verhalten. Den fehlenden menschlichen Kontakt gleicht mir kein Roboter der Welt aus.

Helene: Ich komme gerade von einer Baby-Konfiguration. Bald kann ich also auch einen Jungen hier mitbringen, für den können wir dann dort einen Spielplatz einrichten, damit auch er sich an die virtuelle Realität gewöhnt.

Robin: Mein Tipp ist, dass du auch mal ganz normal auf einen Spielplatz in der Natur mit ihm gehst. Das fehlt den meisten Kids doch heute. Mit der Technik kommt er noch früh genug in Kontakt.

Helene: Na gut. Aber schön, dass wir uns hier sehen können. Immerhin ist es auch schon einige Jahre her, dass wir wirklich in einer Stadt gewohnt haben, aber dieser Park hier ist eine gute Möglichkeit, den Kontakt nicht abbrechen zu lassen.

Antje: Das geht mir genauso. Also dann bis zum nächsten Mal. Ich werde versuchen, beim nächsten Mal etwas mehr Beteiligung zu erwirken.

Robin: Macht‘s gut und bis zum nächsten Mal. Ich bin schon gespannt, was du dir für ein Kind ausgesucht hast, Helene.

Helene: Tschüss, ihr beiden!

Das Portal des virtuellen Parks erlischt.


Redaktion: sm.