Gleiches für Gleiche?

Ein Zeitreise-Bericht der Klassen A25 1/2 der Integrierten Gesamtschule Halle Am Steintor vom 12. bis 13. Oktober 2022

Deutschland im Jahr 2045

Wie gut hier alles geregelt ist: Der Verkehr, die Politik, die Ampeln, der Haushalt, die Digitalisierung, die Wirtschaft, die Roboter an den Fließbändern.

Und dann all die Häuser: Wand an Wand, Reihe an Reihe und Straße an Straße. Und alle Menschen verdienen gleich. Gleiches Geld für gleiche Leute. Das ist alles der Verdienst der Gleichheitspartei. Wie schön das doch ist.

Oder?



Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…

1. Akt: Parteienkonferenz

 Handelnde Personen:  

  • Herr Albrecht – Politiker der Gleichheitspartei  
  • Frau Bauer – Politikerin der Koalitionspartei  
  • Frau Coppenrath – Politikerin der Gleichheitspartei  

Heute schauen wir uns an, ob die Versprechen der Gleichheitspartei erfüllt werden: Wie gleich ist die Welt 2045? Dazu blicken wir zunächst auf eine Konferenz der wichtigen Parteien.

Herr Albrecht (blickt freundlich in die Runde): Ich finde immer noch, alle sollten das gleiche Geld bekommen. Die komplette Gleichheit ist noch nicht erreicht. Das heißt: Die Reichen noch etwas weniger und die Ärmeren noch etwas mehr. (er streicht seinen Anzug glatt und nimmt sich einen Keks vom Teller)

Frau Bauer (gießt sich eine neue Tasse Kaffee ein und nimmt sich ebenfalls einen Keks vom Teller): Ja, allerdings nur minimal. Das Niveau der Gehälter ist bereits schon sehr ausgeglichen.

Frau Coppenrath (haut auf den Tisch): Nein! Ich denke, das funktioniert so absolut nicht! Wir verlieren unsere Wählerschaft! Die Mehrheit unserer Wählenden besteht aus Mehrverdienenden! Sie bilden den stärksten Anteil unserer Wählenden! Und sie werden scharenweise zur Opposition überlaufen, wenn wir so weitermachen. Sie wollen mehr Geld für ihre Arbeit. Das können wir nicht mit bedingungsloser Gleichheit lösen.

Herr Albrecht (nimmt sich einen weiteren Keks und deutet damit wohlwollend auf Frau Coppenrath): Na, na, Frau Coppenrath. Ich verstehe Ihre Bedenken. Aber die ärmere Bevölkerung steigt uns ebenso auf’s Dach, wenn wir nun einfach die Ungleichheit wieder einführen.

Die vermeintliche Gleichheit scheint also zu Konflikten in der Politik zu führen. Doch wie geht die Bevölkerung damit um?


2. Akt: Brunch in Sabines Wohnung

 Handelnde Personen:  

  • Ina – Kassiererin  
  • Anna – Schauspielerin, Mutter von 2 Kindern  
  • Sabine – Jurastudentin  

Um dies herauszufinden, lauschen wir den Gesprächen unter Freundinnen bei einem Brunch in Sabines Wohnung. Sabine hat Jura studiert und ist Berufseinsteigerin. Die Freundinnen treffen sich jeden Monat zu einem gemeinsamen Frühstück.

Sabine (nimmt einen Schluck Kaffee): Was sagt ihr eigentlich zur aktuellen Politik der Gleichheitspartei? (sie nimmt sich ein Brötchen) Anna, könntest du mir bitte die Margarine geben?

Anna (setzt den Sirup ab, den sie sich gerade über ihren Stapel Pancakes gießen wollte und reicht Sabine die Margarine): Och, ich bin eigentlich ganz zufrieden. Als Schauspielerin hätte ich noch vor 20 Jahren niemals so gut verdient, dass ich auch noch zwei Kinder hätte großziehen können. Das ist schon eine große Erleichterung. (sie kippt noch mehr Sirup über ihre Pancakes und strahlt in die Runde). Warum fragst du, Sabine?

Sabine (streicht sich eine hauchdünne Schicht Margarine auf ihr Brötchen und blickt empört): Aber das ist doch Unsinn. Ich habe sieben Jahre lang in der Bibliothek gesessen und über Gesetztestexten gebrütet. Ich habe Stunde um Stunde gelernt bis tief in die Nacht. Und jetzt starte ich in mein Berufsleben und bekomme genauso viel wie alle Anderen, die nicht sieben Jahre ihre Hintern in der Bibliothek platt gesessen haben. (ruft empört) Nein, ich muss sogar sparen!

Ina (streicht sich großzügig Marmelade auf ihr Chiasamenbrot und versucht Sabine zu beschwichtigen): Aber, aber, Sabine. Dafür ist es aber doch in der Gesellschaft jetzt alles fair aufgeteilt.

Sabine (springt wütend auf): Es ist nicht alles fair, es ist alles GLEICH! Das ist etwas anderes!

Die Meinungen in der Bevölkerung scheinen beim Thema Gleichheit also auch nicht so gleich zu sein. Und im Berufsalltag?


3. Akt: Auf einer Parkbank

 Handelnde Personen:  

  • Hugo – Teetrinker  
  • Babette – Richterin  

Zuletzt begegnen wir zufällig der folgenden Szene in einem öffentlichen Park. Dort sitzt Hugo, der sich auf der Parkbank ausruht und seinen Tee aus einer Thermoskanne genießt. Von dort beobachtet er, wie Babette gestresst an ihm vorbeiläuft.

Hugo (ruft Babette zu): Boah, Wichtigtuerin! Was soll der Stress?!

Babette (bleibt empört stehen): Was denn bitte für Wichtigtuerin?! Ich habe zu arbeiten! Im Gegensatz zu Ihnen!

Hugo (hebt prostend seine Teetasse): Tja! Ich kann’s halt einfach, ne?!

Babette (fauchend): Ich gehe jeden Tag zwölf Stunden lang arbeiten! Zwölf Stunden! Das Einzige, was Sie schon mal zwölf Stunden am Stück getan haben, ist schlafen! Sie machen überhaupt nichts! Ich habe drei Kinder zu versorgen!

Hugo (grinst und pustet entspannt in seinen Tee): Ach, die Kinder, die Kinder!

Babette (baut sich vor Hugo auf): Meine Kinder arbeiten, um hoffnungslosen Fällen wie IHNEN die Rente zu finanzieren! (hebt den Zeigefinger) Ja, Ihre Rente fällt nämlich nicht vom Himmel!

Hugo (winkt lässig ab): Ja, was soll ich dazu denn jetzt sagen?! Mir geht’s gerade trotzdem besser als dir!

Babette (brüllt ihn an): Lächerlich! Ist mir klar, dass Sie dazu nichts sagen können. Ich hätte nichts anderes von Ihnen erwartet. Dann gehe ich eben ins Ausland, da verdiene ich mehr Geld. Sie können froh sein, dass Leute wie wir Ihr Leben, Ihren Unterhalt, Ihre Rente und Ihre Infrastruktur überhaupt noch finanzieren hier! Anderswo ist das nicht so!

Hugo (lacht und deutet auf den leeren Platz neben sich auf der Parkbank): Oder du kommst einfach zu mir hier auf meine schöne Parkbank. Hier müssen wir nicht arbeiten. Hier genießen wir das Leben. (hebt nochmal prostend die Teetasse und gießt sich genüsslich einen Schluck Amaretto in die Tasse)

Sind also im Jahr 2045 wirklich alle gleich? Oder können gleiche Löhne zu einer anderen Form der Ungleichheit führen?