Das Vier-Euro-Ticket

Ein Zeitreise-Bericht der Klassen A25 1/2 der Integrierten Gesamtschule Halle Am Steintor vom 12. bis 13. Oktober 2022

Deutschland im Jahr 2045

Die Kurzzusammenfassung der letzten Jahre liest sich eigentlich durchweg positiv:

• 2026 wurde in Deutschland Europas größter Naturschutzpark zum Schutz der Natur und der Tiere errichtet.
• Ab Ende 2027 wurde verstärkt in nachwachsende Rohstoffe wie beispielsweise Hanf investiert.
• 2032 wurden flächendeckend autonome Fahrzeuge eingeführt.
• Seit dem Jahr 2040 werden Drohnen zur Post- und Paketzustellung genutzt.
• 2042 wurde das Fahren mit nicht-autonomen Fahrzeugen verboten.
• Seit 2040 ist auch endlich der Klimawandel kontrollierbarer geworden und kann nachhaltig bekämpft werden.

Die Folgen all dieser Entwicklungen? In den letzten Jahren entwickelte sich ein sehr starke Mittelschicht, die Schwere zwischen Arm und Reich schließt sich stetig weiter. Die Bevölkerung blickt einer wohlhabenden, rosigen Zukunft entgegen…

Was kann es hier noch für Konfliktpotential geben?



Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…

1. Akt: In der Schulcafeteria

 Handelnde Personen:  

  • Hans – Wohlhabend  
  • Hagen – Mittelklasse  
  • Thorben – Mittelklasse  

In der Gesamtschule trifft man sich zur Pause in der Cafeteria. Hans setzt sich mit seinem Pausensnack neben seinen Freund Hagen. Hagen checkt gerade die aktuellen Nachrichten. Thorben kommt mit seinem nachhaltigen Kaffeebecher dazu und setzt sich ebenfalls.

Hagen (schaut kurz von seinem Smartphone auf): Moin Hans, wie geht’s?

Hans (klopft Hagen auf die Schulter): Hi, wie geht’s dir? Alles gut?

Hagen (strahlt): Mir geht’s top! Bin heute richtig happy drauf.

Hans (fragend): Ach was! Schön. Warum denn?

Hagen (hält ihm die Schlagzeile auf dem Smartphone unter die Nase): Guck mal. Ich bin halt voll happy, weil so ein Vier-Euro-Ticket eingeführt wurde.

Hans (überrascht): Ach, wirklich? Das ist ja geil!

Hagen: Ja, voll krass, oder?

Thorben (schaut fragend auf): Was ist denn das genau?

Hagen (scrollt auf seinem Smartphone herum): Ja, irgendwie gibt es jetzt so ein Ticket, wo du für vier Euro irgendwie alles fahren kannst. Alle öffentlichen Verkehrsmittel für vier Euro im Monat. In ganz Deutschland!

Thorben (erfreut): Das ist ja mega!

Hagen (berichtet weiter): Das wurde gestern erst beschlossen. Das heißt, alle haben jetzt die gleichen Möglichkeiten, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen.

Thorben (reckt freudig seinen Kaffee in die Höhe): Das ist ja krank, Alter. Da kann ich ja auch mal wieder in den Urlaub fahren. Mega! (er strahlt über das ganze Gesicht)

Hans (nickt): Voll die coole Sache. Ich wette, meine Familie hat das noch gar nicht mitgekriegt. Endlich haben alle die Möglichkeit von A nach B zu kommen.

Was für ein guter Einfall der Politik. Die Chancengleichheit im öffentlichen Nahverkehr scheint zum Greifen nah. Doch sehen das wirklich Alle so?


2. Akt: Bei Hans zuhause

 Handelnde Personen:  

  • Hans  
  • Julia – Schwester von Hans  
  • Thomas – Vater der Beiden  

Wie reagiert wohl Hans’ Familie auf diese Nachricht?

Hans (kommt rein und ruft): Moin, ich bin zuhause.

Julia (winkt aus dem Wohnzimmer): Hey Hans, hast du auch von dem Ticket gehört?

Hans (grinst und nickt): Ja, voll gut, oder? Hagen hat mir davon erzählt. Ich find’s richtig gut. Lass mal Papa davon erzählen gleich.

Julia nickt. Kurze Zeit später hören beide ihren Vater nach Hause kommen.

Thomas (ruft): Hallo, ich bin zuhause.

Hans und Julia (rufen beide aus dem Wohnzimmer): Hi Papa!

Julia (flüsternd zu Hans): Na, dann erzähl mal vom Vier-Euro-Ticket.

Hans (schaut seinen Vater an): Hey Papa, das Vier-Euro-Ticket wurde heute von der Regierung beschlossen. Alle haben die Möglichkeit mit den Öffis zu reisen, egal ob du viel verdienst oder nicht.

Julia (aufgeregt zustimmend): Ja, total cool, oder? Sowas macht unsere Regierung! Ich find’s mega!

Thomas (hebt skeptisch eine Augenbraue): Nee, hört mal, Leute. Ich finde das gar nicht mal so cool.

Julia (enttäuscht): Warum das denn?!

Thomas (schüttelt ernst den Kopf): Habt ihr eine Ahnung, mit was für Leuten ihr dann in der Bahn fahrt?!

Hans (empört): Aber das ergibt doch gar keinen Sinn, was du sagst. Warum waren wir bisher überhaupt von weniger verdienenden Menschen getrennt?!

Thomas (winkt ab): Das ist den hart Arbeitenden gegenüber einfach nicht fair… wenn das jetzt jeder darf.

Julia (stemmt die Hände in die Hüfte): Aber jeder sollte doch die gleichen Chancen bekommen die Öffis zu nutzen, oder etwa nicht?

Thomas seufzt laut und verlässt das Zimmer.

Aha. In dieser Zukunft, in der scheinbar alles so gut funktioniert, fühlen sich wohl doch nicht alle so gerecht behandelt. Nutzen denn aber auch alle das Angebot des Tickets?


3. Akt: Im Bus

 Handelnde Personen:  

  • Hans  
  • Mitfahrer – Wohlhabend  
  • Vier-Euro-Ticket-Nutzende  

Auf dem Weg zur Schule fährt Hans meist mit dem Elektrobus, das eindeutig schnellste und beste Verkehrsmittel zu dieser Zeit. Doch heute ist alles anders. Seit der Einführung des Vier-Euro-Tickets stehen Menschen an den Haltestellen Schlange, um in den Bus zu gelangen. Hans ist erstaunt, sein Mitfahrer offensichtlich entsetzt.

Mitfahrer (schaut entgeistert aus dem Fenster auf die wartende Menge): Nein! Das kann doch nicht wahr sein! Guck dir die mal an!

Hans beobachtet, wie sein Mitfahrer demonstrativ seine Aktentasche nimmt und neben sich auf den Platz stellt. Als eine Frau ihn fragend anschaut und auf den Platz neben ihm deutet, schüttelt er nur böse den Kopf. Hans deutet schnell hilfsbereit auf den Sitzplatz neben sich.

Mitfahrer (murmelt unüberhörbar): Die wissen überhaupt gar nicht wie man sich im Bus überhaupt verhält! Was soll denn das?! Da liegt doch offensichtlich meine Tasche auf dem Sitz!

Hans versucht die neu dazu Gestiegenen wohlwollend anzulächeln und den Mitfahrer zu ignorieren. Doch der wird immer lauter…

Mitfahrer (empört lauter werdend): Noch nie den Bus benutzt. Das sieht man denen sofort an. Wer nicht weiß wie man einen Bus benutzt, sollte laufen! So sieht’s aus!

Einige der dazu Gestiegenen murren widerwillig.

Hans (hält es nicht mehr länger aus und antwortet): Es haben halt nicht alle so viel Geld wie Sie oder ich. Aber wir sollten doch trotzdem alle die Verkehrsmittel nutzen dürfen.

Mitfahrer (hatte auf Widerspruch wohl nur gewartet und brüllt laut): Der Staat bezahlt euch das! Wir bezahlen euch das! Wir arbeiten dafür hart, dass ihr hier fahren könnt.

Es lassen sich vereinzelte Proteststimmen aus der Menge im Bus hören.

Dazugestiegene (vereinzelt): Wir arbeiten doch auch! Wir arbeiten auch! Es reicht nur nicht immer für sowas wie Bus fahren!

Hans (drückt auf den Stoppknopf und steht auf): Das ist sehr menschenverachtend, Ihre Argumentation!

Hans steigt aus dem Bus und blickt wütend auf den Mitfahrer im Bus zurück. Dann schüttelt er traurig den Kopf. Er dachte immer, gerade die reicheren Menschen wären zufriedener mit ihrem Leben. Doch so einfach scheint es wohl nicht zu sein …