Zeitreise-Bericht der Klasse 10a der CJD Christophorusschule in Droyßig vom 19. bis 20. September 2022
Deutschland im Jahr 2045
Das Rattern der Maschine stoppt abrupt, als sich die Türen öffnen. Doch statt des erwarteten grellen Lichts finden wir uns in einer dunklen Gasse wieder. Wir treten aus der Maschine und sehen uns erstmal um. Die Umrisse der Gasse werden praktisch in der Dunkelheit verschluckt. Doch da ist ein Licht, auf welches wir sofort zulaufen. Als wir uns schließlich auf einer breiteren Straße wiederfinden, halten wir uns die Hände vor Mund und Nase. Die Luft ist extrem schlecht und wir können kaum noch atmen. Menschen laufen an uns vorbei, schauen uns kurz an und gehen dann weiter. Ihre Gesichter sind fast vollkommen von Masken bedeckt. Jedoch sind alle Masken verschieden. Sie wirken wie ein verzweifelter Ruf nach Individualität in dieser Tristesse. Die Häuser sind hoch und nur spärlich beleuchtet.
Als wir die lange Straße entlanggehen, kommen wir an mehreren “Bars“ vorbei, in denen sich Menschen einer virtuellen Realität hingeben. Im Vorbeigehen vernehmen wir Wortfetzen wie „Heute wieder an den Strand?“ – „Nein, ich hätte mehr Bock auf ein paar Zombies…“. Sie verschwinden im Dunkel des Raumes, in welchem nur die Lämpchen der Netzstecker von etwas Leben zeugen. Kurz danach finden wir einen Laden, der ziemlich teure Masken verkauft. Die Preise sind unverschämt hoch, aber anscheinend verdienen die Menschen hier auch mehr als in unserer Welt. Nach ein paar Stunden Herumirrens in dieser verpesteten Stadt treffen wir eine junge Frau, die sich bereit erklärt, uns über die Zustände dieser Welt aufzuklären. Sie erklärt uns, dass die Steuern sehr hoch seien und die Politik die Mittelschicht komplett vernachlässige. Die Elite wirtschafte nur in die eigenen Taschen und habe die komplette Macht über die Medien und die Technik. Um dieser schrecklichen Welt zu entkommen, flüchten sich die Menschen in eine virtuelle Realität, in der sie scheinbar alles machen können, was sie wollen.
Menschen, die sich der Illusion einer Demokratie hingeben wollen, gehen weiter wählen, doch können stets nur einen Kandidaten wählen – Eugene Bailey von der FDS, den Freien Demokratischen Sozialisten, welch Ironie in dieser Welt.
Doch ist es noch demokratisch oder frei, wenn man ständig überwacht wird, oder man nur einen Kandidaten zur Auswahl hat?
Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…
1. Akt: Auf dem Dach
Liam schaut sich ungläubig um. Er hat nur auf einen kleinen roten Knopf auf seinem neuen Computer gedrückt und es wurde kurz dunkel. Nun findet er sich auf einem Dach eines ihm unbekannten Hochhauses wieder und dokumentiert seine Beobachtungen für seine vielen Follower.
Liam (tippt vor sich hinredend auf seinem Laptop): Ich bin hier irgendwo in einer fremden Stadt gelandet. Hier ist alles so seltsam, verlassen und kaputt. Die Luft ist so stickig und kaum zu atmen. Die Menschen tragen Masken, um zu überleben. Ich habe eine Maske von einer Fremden bekommen, in die hineingelaufen bin. Sie sagte, ihr Name sei Aria. Mehr wollte sie aber nicht sagen. Sie hat mich nur darüber aufgeklärt, wo ich überhaupt bin und dass die Menschen hier angeblich überwacht würden. Ich weiß aber nicht, was ich davon halten soll. Scheinbar bin ich tatsächlich im Jahr 2045 gelandet… Ich bin wirklich in die Zukunft gereist. (dreht sich überrascht um)
Ordnungshüter 1 (fahren unten auf der Straße entlang): Halte mal an, ich habe hier etwas Verdächtiges vernommen.
Ordnungshüter 2: Schon wieder?
Ordnungshüter 1: So wie der aussieht, könnte man denken, es wäre ein Zeitreisender.
Ordnungshüter 2: Sehr verdächtig.
Ordnungshüter 1: Das sieht wirklich seltsam aus.
Ordnungshüter 2: Sollten wir uns ihn mal näher anschauen?
Ordnungshüter 1: Wir wissen immerhin laut seinem mit dem Internet verbundenen Computer schonmal, dass er Liam heißt. Aber ich kann ihn in keiner unserer bestehenden Datenbanken finden.
Ordnungshüter 2: Sehr verdächtig…
Ordnungshüter 1: Außerdem schreibt er auch über Aria. Die ist doch schon öfter auffällig geworden.
Ordnungshüter 2: Dann will ich mir mal diese Aria ansehen. Und du nimm dir den Fremden vor.
Ordnungshüter 1: Okay, so machen wir es.
Die beiden gehen schnellen Schrittes getrennte Wege.
2. Akt: Im Wahllokal
Liam macht sich derweil auf, um die Gegend zu erkunden und sich ein Bild zu machen. Dabei stößt er wieder auf Aria, die ihn auch sofort wiedererkennt.
Liam: Hallo Aria.
Aria: Hallo Liam. Gehst du zum ersten Mal in ein Wahllokal?
Liam (dreht sich zu einem kleinen Häuschen mit einer langen Menschenschlage): Ja, damals hat mich die Demokratie irgendwie nicht interessiert.
Aria: Also, das sind unsere Wahlprüfer, die dafür sorgen, dass auch alles wirklich planmäßig abläuft… (flüsternd) Planmäßig in ihrem Sinne natürlich.
Wahlleiter (freundlich): Guten Tag. Willkommen zur Wahl. Hier dürfen Sie unser nächstes Parlament bestimmen. Suchen Sie sich eine der dort stehenden Kabinen aus.
Liam: Vielen Dank! (kommt kurze Zeit später wieder zurück) Leider funktioniert das nicht. Ich kann nicht abstimmen.
Wahlleiter: Oh doch, es funktioniert. Sie müssen nur die richtige Partei wählen.
Liam: Das ist etwas kaputt. Ich kann meine Präferenz nicht auswählen.
Wahlleiter (kommt zu Liam): Doch. Es funktioniert. Sehen Sie.
Liam: Aber das wollte ich gar nicht auswählen.
Wahlleiter: Jetzt haben Sie abgestimmt. Vielen Dank für Ihre Wahl.
Liam (völlig überrascht): Was? Aber das war doch gar nicht mein Wille! Die Partei wollte ich nicht wählen. Wenn das Gerät kaputt ist, muss ich die Wahl wiederholen können.
Wahlleiter (schüttelt genervt den Kopf): Nein, alles funktioniert korrekt. Wir haben die allerneueste Technik. Und jetzt gehen Sie bitte. Hier wollen noch andere Leute wählen.
Liam geht verunsichert aus dem Wahllokal und wundert sich, warum er auf eine Partei geklickt hat, aber eine andere Partei ausgewählt wurde.
Liam (zu Aria): Aber so wollte ich nicht abstimmen.
Aria: Ich weiß, niemand will diese Partei wählen. Deshalb gibt es ja die Wahlwächter. Reg dich ab. Dagegen kann man sowieso nichts ausrichten. Komm, lass uns etwas trinken.
Liam: Ich will aber eine Erklärung.
Nach einiger Zeit lässt Liam ab und folgt etwas unwillig Aria – in der Hoffnung, mehr von diesen seltsamen politischen Verhältnissen zu erfahren.
3. Akt: In einer VR-Bar
Sie kehren in eine Virtual-Reality-Bar ein. Liam setzt sich das erste Mal in seinem Leben eine solche Brille auf. Etwas verunsichert versucht er sich Orientierung zu verschaffen.
Liam (zum Wirt): Ich möchte bitte ein Bier bestellen und auch gleich zahlen.
Aria (lacht ihn an): Damit erreichst du nicht viel. Wir bestellen nämlich damit. Hier in meiner Hand ist ein Chip eingepflanzt. Mit dem kannst du kontaktlos bezahlen.
Liam: Tut das nicht weh?
Aria: Nein, nicht wirklich. Den kriegst du schon als Kind, also gewöhnst du dich irgendwann daran. Also, was willst du haben? Zwei Mal Starkbier?
Liam: In der Zeit kannst du mir erklären, warum das hier alles so dunkel und dreckig ist.
Aria (spricht nun etwas leiser): Naja, die Politik hat uns ziemlich vernachlässigt. Vor allem den Klimawandel und seine Folgen blieben praktisch unbeachtet. Sie haben überall Fabriken hingebaut und dabei nicht auf die Umwelt geachtet, deswegen ist hier alles so düster. Auch die Müllabfuhr funktioniert nicht wirklich. Deswegen haben wir sehr dreckige Straßen hier. (mit einem Schmunzeln auf den Lippen) Aber in der virtuellen Welt bemerkt man das zum Glück ja nicht.
Liam: Geht es den Menschen unterm Strich nun besser?
Aria: In den letzten 20 Jahren wurden unsere Einkommen staatlich angeglichen, damit sie mehr Kontrolle über uns haben. Sie denken, dass wenn wir alle das gleiche Einkommen haben, wir auch glücklicher seien und uns gleichberechtigt fühlen würden. Das führt dazu, dass niemand sich groß traut, seine Individualität auszuleben. Das Einzige, was uns jetzt noch voneinander unterscheidet, sind unsere Masken.
Liam: Dann ist das ja hier gar nicht frei, demokratisch und schon gar nicht sozial.
Aria (lacht auf): Natürlich ist es das nicht. Sie nennen sich nur Freie Demokratische Sozialisten, damit es gut klingt. Durch die große Unzufriedenheit haben die Menschen angefangen, sich in eine andere Realität zu flüchten. Und deswegen triffst du auf so viele Menschen mit VR-Brillen.
Liam: Warum bist du dann kaum in dieser Welt unterwegs?
Aria: Ich bin der festen Überzeugung, dass sie uns über diese Brillen und alles andere überwachen und unser Leben schließlich komplett kontrollieren.
Liam: Hast du denn Beweise dafür?
Aria: Natürlich nicht. Der Staat gibt uns keine Einblicke in irgendwas.
Liam: Also wenn das unsere Zukunft sein, dann habe ich echt Angst davor.
Aria klopft ihm tröstend auf die Schulter und wirft ihm einen verständnisvollen Blick zu. In diesem Moment wird es wieder kurz dunkel und Liam sitzt auf einmal wieder vor seinem Rechner mit dem roten Knopf. Ob er sich jemals wieder traut, diesen zu drücken?
Redaktion: sm, tm