Zeitreise-Bericht der Klassen 10a, b und c des Paul-Gerhardt-Gymnasiums in Gräfenhainichen vom 30. Juni bis 1. Juli 2022
Ein Bericht einer Schülerin zu diesem Workshop findet sich hier.
Deutschland im Jahr 2045
Die Menschen leben in einer scheinbar sorglosen, perfekten Welt: Jeder hat eine Wohnung oder ein Haus, einen Job, genügend Essen und alle leben in Sicherheit. Es gibt so gut wie keine sozialen Unterschiede mehr und aus jeder Ecke der Welt kommen stets nur gute Nachrichten. Grund dafür ist, dass die gesamte Erde nicht mehr von Politikern, sondern von riesigen künstlichen Intelligenzen kontrolliert wird, die alles und jeden überwachen und jede noch so kleine Entscheidung treffen. Die Menschen leben zwar in Wohlstand und Sicherheit, haben aber keine Kontrolle über ihr eignes Leben oder politische Entscheidungen. Alles wird von allwissenden, hyperintelligenten Maschinen vorgegeben.
Trotz dieser Sorglosigkeit verspüren viele Menschen ein wachsendes Unwohlsein mit der Gesellschaft, in der sie leben. Seit einiger Zeit verbreitet sich ein Gefühl der Ohnmacht und der Fremdbestimmung. Die künstliche Intelligenz überwacht die Menschen im Alltag beinahe lückenlos durch Kameras, Sensoren und Drohnen. Jeder Tag läuft nahezu gleich ab: morgens verlassen die Menschen ihre makellosen Häuser, fahren mit dem Hyperloop zur Arbeit und gehen nach acht Stunden wieder nach Hause. Andere Dinge wie Arztbesuche oder die Ausgabe von Essen sind perfekt getaktet und laufen fast vollautomatisch ab. Abweichen können die Menschen von diesen Mustern nicht. Tun sie es doch, reagiert die künstliche Intelligenz nicht mit Gewalt, sondern setzt geschickt psychologische Manipulation ein, um die Menschen wieder auf Kurs zu bekommen.
Obwohl die Bevölkerung von der künstlichen Intelligenz scheinbar perfekt versorgt und kontrolliert wird, hat sich in jüngster Zeit eine Protestbewegung gebildet, die rasanten Zulauf erfährt. Die Demonstranten finden sich immer öfter auf öffentlichen Plätzen zusammen und fordern Demokratie, Individualität und Selbstbestimmung. Die Künstliche Intelligenz ist mit der Menge an Demonstranten und den neuen Gruppendynamiken überfordert. Ihre gewöhnlichen Maßnahmen zur Disziplinierung der Menschen funktionieren nicht mehr richtig. Es gibt Gerüchte, dass die Künstliche Intelligenz auf den Protesten Drohnen einsetzt, die körperliche Gewalt gegen die Demonstranten ausüben. Die Spannung in der Gesellschaft nimmt zu.
Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…
1. Akt: Zuhause
Apollo und Robert sitzen mit ihren Adoptivkindern Dennis und Alejandro am Esstisch in ihrer Wohnung.
Robert: Apollo, hol doch mal bitte die Drohne mit dem Essen.
Apollo: Aber sicher.
Eine Drohne mit Pizza kommt ins Esszimmer geflogen.
Robert: So, wir teilen hier alles gerecht auf. Zwei Stücke Pizza für dich, Alejandro, zwei für dich, Dennis. Und Papa und ich teilen uns den Rest.
Alejandro: Ich will gar nicht essen.
Robert: Wieso, was ist los?
Alejandro: Ich fühle mich nicht sicher. Ständig werden wir beobachtet und aufgenommen. Schau dir doch mal die Drohnen an: Die haben überall Kameras!
Apollo: Das Thema hatten wir doch schon! Ihr braucht keine Angst haben.
Alejandro: Merkt ihr nicht, dass wir in einer Blase leben?
Robert: Das nennt sich strukturiertes Leben! Und seit wann redest du so mit deinen Eltern?! Dennis, siehst du das etwa auch so?
Dennis: Mir ist das alles egal.
Alejandro: Wir wollen nachher demonstrieren gehen! Wir müssen für unsere Rechte einstehen!
Robert: Demonstrieren?! Seid ihr des Wahnsinns? Ihr könnt euch nicht gegen das System auflehnen, schon gar nicht, wenn ich für den Staat arbeite!
Alejandro: Doch, das werden wir!
Alejandro steht auf, schnappt sich seine Jacke und rennt aus dem Haus. Nach kurzem Zögern rennt auch Dennis hinterher.
Robert: Siehst du, Apollo! Alles hast du falsch gemacht mit unseren Kindern!
Apollo: Ich?! Du bist doch ständig nur auf Arbeit und schuftest im Namen dieser Künstlichen Intelligenz!
Robert: Ich schufte jeden Tag, damit es unserer Familie gut geht und wir in Frieden leben können. Außerdem wolltest du damals die Kinder adoptieren!
Apollo: Das ist ja nicht zu fassen! Ich kann das alles nicht mehr…
2. Akt: Auf der Demonstration
Die beiden Geschwister Alejandro und Dennis sind auf dem Platz angekommen, auf dem sich schon viele andere Demonstranten versammelt haben. Die meisten von ihnen sind jung. Um die Demonstration herum schweben viele Drohnen und auch eine ganze Menge menschlich aussehender Roboter steht in einiger Entfernung bereit.
Alejandro: Gegen die KI! Gegen die Überwachung! Gegen das ganze System!
Dennis: Gegen das System!
Die Demonstranten stimmen einen Sprechgesang an und auch Alejandro und Dennis rufen mit:
Alejandro, Dennis: Mehr Demokratie! Mehr Demokratie!
Auf einmal erscheint der Adoptivvater der beiden, Robert, zusammen mit den Robotern am Rand der Menschenmenge. Offensichtlich befiehlt er die Roboter. Er gibt das Kommando, den Protest zu stoppen und aufzulösen. Unruhe und Panik bricht aus. Kurze Zeit später erblickt Robert seine beiden Kinder unter den Demonstranten.
Robert: Alejandro, Dennis! Ich kann nicht glauben, dass ihr wirklich so dumm wart, hier her zu kommen! Roboter, nehmt die beiden fest!
Alejandro: Was?! Wir sind deine eigenen Kinder!
Dennis: Das kannst du nicht machen!
Robert: Doch, ihr seht doch, wie ich das kann! Bringt sie weg!
Einer der Roboter packt Alejandro und Dennis und die beiden Jugendlichen werden fortgeschafft.
3. Akt: Das Gefängnis
Alejandro und Dennis sind in ein Gefängnis gebracht worden. Sie werden in einen Verhörraum geführt, in dem ein Aufseher auf sie wartet.
Alejandro: Was fällt Ihnen ein?! Sie können uns nicht einfach so festnehmen! Dazu haben Sie nicht das Recht!
Dennis: Ja, was fällt Ihnen bloß ein?!
Aufseher: Sie haben gegen unseren Staat demonstriert!
Alejandro: Na und?! Wir haben Versammlungsfreiheit und andere Rechte. Außerdem haben wir nicht ohne Grund protestiert!
Aufseher: Jetzt hören Sie mir mal gut zu, junger Mann: Sie haben in diesem Staat alles. Genug Essen, Sicherheit und ein sorgloses Leben. Erst vor kurzem hat die allwissende Künstliche Intelligenz den Hunger in der Welt beendet. Eure Eltern sind ein homosexuelles Paar und durften Kinder adoptieren. Ohne diese Großzügigkeit wärt ihr heute niemals hier!
Auf einmal betritt Adoptivvater Apollo vor Sorge sichtlich erregt das Verhörzimmer.
Apollo: Kinder! Da seid ihr ja! Was habt ihr hier zu suchen?! Herr Aufseher, erklären Sie sich! Warum sind meine minderjährigen Kinder hier im Gefängnis?!
Dennis: Wir haben nur friedlich demonstriert und wurden sofort mitgenommen!
Aufseher: Ihre Kinder haben illegal gegen den Staat demonstriert!
Apollo: Aber sie haben doch ihre Rechte! Wer hat das hier angeordnet?
Aufseher: Ihr Ehemann.
Apollo: Was?! Rufen Sie ihn sofort her!
Der Aufseher ruft Robert ins Verhörzimmer, der kurze Zeit später von einem Roboter begleitet den Raum betritt.
Apollo: Robert! Du hast das hier angeordnet?! Unsere eigenen Kinder?! Sie haben nur für ihre Rechte demonstriert!
Robert: Sie haben gegen unseren Staat und die Künstliche Intelligenz demonstriert! Sie wissen nicht zu schätzen, in welchem Wohlstand und welcher Sicherheit wir leben! Sie brocken uns nur Ärger ein!
Alejandro: Sie werden uns Chips in die Köpfe setzen und uns noch mehr kontrollieren!!
Apollo: Siehst du nicht, was deine Arbeit mit unserer Familie macht, Robert?
Robert: Meine Arbeit? Ich gehe arbeiten, damit unsere Familie in Sicherheit ist und es ihr gut geht!
Apollo: Aber siehst du nicht, dass wir als Familie zerfallen?!
Robert: Natürlich ist alles wieder meine Schuld. Aber auf dich schaust du nie! Wo haben die beiden denn solche Ideen her?
Dennis: Papa, merkst du denn nicht, dass wir unter dieser Künstlichen Intelligenz nicht gut leben können. Selbst unsere Familie leidet darunter!
Apollo: Unsere Kinder im Gefängnis, weil du sie dort hinbringen lassen hast!
Robert: Aber Apollo, ich wollte doch nur unsere Familie beschützen!
Apollo: Aber du zerstörst sie, siehst du das denn nicht?! Dieser Staat zerstört unsere Familie!
Robert: Vielleicht hast du Recht… Ich muss nachdenken… Vielleicht werde ich meinen Job kündigen und etwas anderes machen.
Redaktion: km