Zeitreise-Bericht einer 10. Klasse am CJD Droyßig vom 03. bis 04. September 2020
Deutschland im Jahr 2040: Alle sind glücklich – dank einem Chip?
Mit der Einführung des Gehirnchips „MR“ vor 20 Jahren hat sich die Politik, die Wirtschaft, aber vor allem das soziale Gefüge des Landes deutlich verändert.
Der Chip ermöglicht den Menschen ein effektiveres Arbeiten, da er störende Einflüsse ausblenden kann und Müdigkeit oder fehlende Motivation verhindert. Er bietet auch die problemlose Verbindung zu Computern, was Datenverarbeitung enorm beschleunigt.
Die dadurch erhöhte Wirtschaftsleistung wurde genutzt, um den Lebensstandard von allen Menschen zu erhöhen. Selbst die Ärmsten der Bevölkerung können ein ordentliches Leben leben. Doch die Reichen sind überproportional immer reicher geworden und der Unterschied zwischen den Schichten wuchs und wuchs.
Doch davon weiß der ärmere Teil der Bevölkerung nichts, da der Gehirnchip nicht nur bei der Arbeit wirkt, sondern auch im sonstigen Leben. Er verhindert, dass die Armen den Wohlstand der Reichen wahrnehmen und löscht bei Bedarf entsprechende Gedanken und Erinnerungen. Auf diese Weise manipuliert, sind alle Menschen sehr zufrieden mit ihrer Situation.
Die Menschen waren dem Erfinder dieser Technologie, die ihnen zu mehr Wohlstand verholfen hat, so dankbar, dass sie erst seine Partei und später ihn zum alleinigen politischen Führer des Landes wählten. Mr. Rich ist durch diese Position und die Kontrolle über die Gehirnchips der mächtigste Mann des Landes. Ausländische Beobachter sprechen von einer neuen und supermodernen Art der Gottesverehrung in Deutschland.
Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…
1. Akt: Im Freibierclub
Susanne und Michelle, zwei Investorinnen, treffen sich kurz vor der Vorstellung von Mr. Richs neuem Gehirnchip.
Susanne: Na Michi, wie geht’s? Lang nicht mehr gesehen. Bei dir alles gut? Wie war der Urlaub auf den Malediven?
Michelle: Das war schön, ich glaube, ich habe meinen Lieblingsstrand gefunden. Nächsten Monat fliege ich wieder hin. Und bei dir?
Susanne: Mir geht es auch sehr gut. Ich habe im letzten Monat so viel Geld gemacht wie noch nie! Und ich hoffe, durch die neue Vorstellung wird’s noch ein bisschen mehr. Herr Rich hat uns ja eine Wahnsinnsinnovation versprochen, die uns die Armen aus den Händen reißen werden.
Michelle: Da kommt er, es geht los!
Mr. Rich betritt die Bühne.
Mr. Rich (mit großen Gesten): Guten Abend, wir haben uns heute hier versammelt, um Ihnen die neueste Innovation der digitalen Neurotechnik vorzustellen. Den MR kennen Sie ja alle, der Gehirnchip, der seit über 20 Jahren unser Leben verbessert. Die Wirtschaft in unserem Land blüht seit der Einführung des MR. Dies – der MR-X (er präsentiert einen Computerchip) – ist das neueste Modell. Mit dem MR-X wird es uns möglich sein, unser Kapital zu verdreifachen, zu vervierfachen und noch viel mehr.
Wir werden ihn so bald wie möglich auf den Markt bringen, damit er schnell in den produktiven Gesellschaftsschichten Verbreitung findet. Dann können wir bald produktivere Arbeitskräfte und ein noch rasanteres Wirtschaftswachstum erwarten. Uns erwarten goldene Zeiten!
Mr. Rich verbeugt sich unter tosendem Applaus und verlässt die Bühne.
2. Akt: Im Armenviertel
Auf einer Informationsveranstaltung im Armenviertel spricht ein Hologramm von Mr. Rich zu den Menschen.
Hologramm von Mr. Rich: Guten Abend, liebe Bürgerinnen und Bürger. Wir haben uns heute hier versammelt, um Ihnen die neueste Innovation der digitalen Neurotechnik vorzustellen. Der MR-X, die neueste Entwicklung im Bereich der Gehirnchips. Er ermöglicht es, sowohl länger als auch intensiver zu arbeiten. Der Preis ist mit 500 Euro angesetzt, was ein absolutes Schnäppchen ist. Denn in nur wenigen Wochen wird dieses Geld durch bessere und längere Arbeit wieder eingespielt sein! Außerdem ist es wie immer möglich, sich den Chip vom Arzt verschreiben zu lassen. Fragen Sie den Spezialisten Ihres Vertrauens!
Frau Schneider eilt von der Präsentation nach Hause. Dort begrüßt sie ihre Tochter.
Mutter: Schätzchen, alles Gute zum Geburtstag!
Marie: Danke, Mama!
Mutter: Ich habe eine super Idee für dein Geburtstagsgeschenk! Ich komme gerade von der Informationsveranstaltung mit Mr. Rich. (begeistert) Der Gehirnchip hat jetzt ein Update! Es sind zwar 500 Euro, aber wir können den Kredit schnell wieder zurückzahlen, da er uns ein besseres Arbeiten ermöglicht.
Marie (fällt ihrer Mutter um den Hals): Wow Mama, das ist ja ein tolles Geschenk! Danke, danke danke!
Mutter: Ich freue mich auch. Aber vergiss nicht, dass wir die neue Technik der Regierung verdanken! Dank ihr können wir noch mehr arbeiten! Das wäre früher nicht möglich gewesen! Denk daran, wenn du dann bald auch wählen kannst! Wir wählen immer Mr. Rich.
Mutter und Tochter machen Pläne, wie sie den neuen Chip einsetzen werden.
3. Akt: In Mr. Richs Wohnzimmer
Mr. Rich liest eine Wirtschaftszeitung, da kommt seine jugendliche Tochter herein.
Anita: Du, Papi, sag mal…
Mr. Rich: Ja, was ist denn, meine Liebe?
Anita: Was ist denn das für ein neuer Chip?
Mr. Rich: Das ist die neueste Innovation für den Arbeitsmarkt. So können wir viel mehr Geld machen.
Anita: Aber du beutest damit voll die Armen aus!
Mr. Rich: Nein, nein, die Armen wählen mich ja dafür, dass ich ihnen diese Art von Innovationen bringe. Du wirst sehen, sie möchten gerne mehr und effektiver arbeiten.
Anita: Das ist doch nicht gerecht, dass sie immer mehr arbeiten, aber wir immer mehr Geld machen…
Mr. Rich: Bei uns ist das Geld viel besser aufgehoben, wir wissen, wie man damit umgeht.
Anita: Aber das ist doch nicht richtig! Die Armen werden doch nur abgezockt.
Mr. Rich: Wenn sie so unglücklich mit der Situation wären, dann würden sie nicht meine Partei wählen. Sie vertrauen auf unsere Technik und unsere weise Führung.
Anita (verliert die Fassung): Dir ist es doch ganz egal, was aus den Menschen wird! Deine doofen Chips vernebeln allen die Gehirne! (schreit) Ich hasse dich!
Mr. Rich (steht auf, hebt die Stimme): Tochter, du vergisst dich! Du verstehst das noch nicht. Du bist noch viel zu jung. Geh auf dein Zimmer!
Anita rennt türenschlagend aus dem Raum. Mr. Rich setzt sich wieder, schüttelt den Kopf und nimmt sich seine Zeitung.