Gespalten und doch zufrieden

Zeitreise-Berichte einer 10. Klasse des Fallstein-Gymnasiums in Osterwieck vom 23. bis 24. Januar 2020

Deutschland im Jahr 2040: Gespalten und doch zufrieden

In der Politik sieht es auf den ersten Blick bunt aus, denn es gibt eine vielfältige Parteienlandschaft: Sechs Parteien sind im Parlament vertreten. Doch in der Politik gibt es einen Konsens, der alle Parteigrenzen überschreitet: Die Gesellschaft soll strikt in zwei Teile geteilt sein: Die Armen und die Reichen.

Es gehen zwar alle Kinder auf die gleiche Schule und machen den gleichen Schulabschluss. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass die Politiker allesamt aus der Schicht der Wohlhabenden rekrutiert werden. Den Kindern aus der weniger privilegierten Schicht wird diese Karriere von klein auf ausgeredet. Somit können die Gutsituierten immer weiter die Politik des Landes bestimmen.

Insgesamt ist die Bevölkerung mit diesem Arrangement jedoch sehr zufrieden, da die finanziell besser Gestellten auch den „Anderen“ einen gewissen Lebensstandard garantieren: Jeder bekommt eine Wohnung vom Staat gestellt und ein garantiertes Mindesteinkommen, unabhängig von der Arbeitssituation. Auch die Krankenversicherung ist für alle kostenlos. Dies wird von den Steuern der Reichen bezahlt.

Die Wirtschaft boomt und durch technischen Fortschritt gibt es viele Neuerungen, die den Menschen das Leben vereinfachen: Von erneuerbaren Energien, die kostengünstig Strom für alle produzieren, bis zu Robotern, die den Haushalt erledigen.



Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…

1. Akt: In der Schule

 Handelnde Personen:  

  • Günther – Lehrer  
  • Werner – Schüler  
  • Ralf – Schüler, will Politiker werden  
  • Hans – Schüler  

Der Lehrer betritt den Klassenraum.

Lehrer: Guten Morgen, Kinder!

Schüler (im Chor): Guten Morgen!

Lehrer: Ich bin heute eurer Vertretungslehrer. Ihr hättet jetzt eigentlich Deutsch, oder? (Schüler nicken bestätigend) Wir machen aber Kunst, ha! (keiner lacht) Ihr wisst, ich mag das nicht so mit der Digitalisierung. Deshalb machen wir das wie früher. (geht herum und verteilt Papierbögen)

Werner: Warum benutzen wir denn nicht unsere Tablets? Die Schule hat die doch extra für alle gekauft!

Lehrer: Wir machen das jetzt aber wie früher, denn früher war es besser! (die Schüler stöhnen auf) Thema heute: Berufsorientierung! Ihr malt jetzt mal auf, was ihr später werden möchtet.

Der Lehrer geht zurück zu seinem Tisch und legt seine Füße darauf.

Lehrer: Und zwar ein bisschen zügig, ja? (kurze Pause) Habt ihr’s? Seid ihr fertig? (Schüler bejahen) Dann zeigt doch mal eure Bilder und berichtet von eurem Berufswunsch. Werner?

Werner: Ich will mal Müllmann werden.

Lehrer: Okay, Werner. Das hast du aber gut gemalt, das Müllauto. Und du, Hans?

Hans: Ich habe einen Tisch gemalt. Denn ich finde den Beruf „Tischler“ interessant, so handwerklich, das ist was für mich.

Lehrer: Sehr gut, etwas Praktisches. Das ist eine gute Idee für dich! Und du, Ralf?

Ralf: Ich habe das Parlament gemalt. Ich würde gerne Politiker werden.

Lehrer (verzieht sein Gesicht): Also wirklich, Ralf. Du weißt doch, dass das nicht geht. Deine Eltern sind einfache Angestellte. Damit ist dir dieser Weg leider verbaut. Nimm dir ein Vorbild an deinen Mitschülern.

Ralf (verzweifelt): Aber das ist mein Traum!

Lehrer: Dann musst du wohl aufwachen, kleiner Träumer. (die anderen Schüler lachen) Überleg dir doch bis morgen mal einen vernünftigen Beruf. Das ist deine Hausaufgabe. (an alle) Der Unterricht ist vorbei, ihr könnt nach Hause gehen.

Die Schüler stürmen freudig aus dem Klassenzimmer, nur Ralf bleibt traurig an seinem Platz sitzen.


2. Akt: Zuhause

 Handelnde Personen:  

  • Werner – Reicher Politiker  
  • Arthur – Werners Kind  
  • James – ein Dienerroboter  

Werner sitzt in seinem Lieblingssessel und nippt an seinem Kaffee.

Werner: James, könnten Sie mir ein paar Trauben bringen? Und die Tageszeitung?

James: Natürlich. (bringt das Obst und ein Tablet)

Werner vertieft sich in die Lektüre.

Arthur betritt das Zimmer und bedient mit seinem Handy den Dienerroboter: Er drückt erst etwas, dann macht James eine lustige Bewegung. So geht es eine Weile. Schließlich blickt Werner von seinem Tablet auf.

Werner (zu Arthur): Lass doch den armen James in Ruhe. Weißt du, wir sollten die Roboter nicht schlecht behandeln. Sie sind eine große Errungenschaft für die Menschen. Und wenn wir nicht nett zu ihnen sind, wehren sie sich vielleicht noch.

Arthur (mit großen Augen): Wirklich? Das kann passieren?

Werner: Tja, mein Sohn, diese Möglichkeit dürfen wir nie vergessen. Deshalb kümmern wir uns auch so gut um die Armen der Gesellschaft. Denn wenn es ihnen zu schlecht geht, dann nehmen sie uns vielleicht noch alles weg!

Arthur: Das würden sie machen? Wie gemein!

Werner: Deshalb ist es wichtig, nett mit ihnen umzugehen. Merk dir das gut, mein Sohn! Jetzt geh woanders spielen.

Arthur läuft aus dem Zimmer hinaus und Werner vertieft sich wieder in seine Lektüre.


3. Akt: Im Park

 Handelnde Personen:  

  • Werner – Reicher Politiker  
  • Günther – Angestellter  

Werner und Günther, zwei Freunde, treffen sich in der Mittagspause im Park.

Werner: Hast du dir eigentlich schon das Buch durchgelesen, das ich dir neulich gegeben habe?

Günther: Das Politikbuch? Nein, das fand ich uninteressant. Außerdem habe ich für so etwas wirklich keine Zeit. Die Arbeit nimmt fast alle meine Zeit ein.

Werner (spielerisch empört): Also wirklich. Du hast nie Zeit für irgendwas. Immer, wenn man etwas mit dir machen möchte, heißt es „Nein, ich habe keine Zeit für sowas“. Das ist nicht cool, weißt du.

Günther (verärgert): Es kann ja nicht jeder Politiker sein.

Werner: Warum willst du denn kein Politiker werden? Ich habe immer den ganzen Nachmittag Zeit.

Günther: Du weißt genau, dass das nicht geht. Ich bin halt einfacher Angestellter. Du hast Zeit. Du bist reich, du kannst dir alles kaufen. Aber du kennst das ja auch nicht anders. Manchmal weiß ich nicht, wie du so unsensibel sein kannst. Lass uns über etwas anderes reden, bitte.

Werner: Na gut, wenn du willst. Hast du das Spiel gestern gesehen?

Und so unterhalten sich die beiden über weniger kritische Themen.