Von Stine, Jasmin, Bengt, Aaron, Gina und Celina
Wenn es um die Entwicklungen der vergangenen Jahre geht, sind die Menschen in Europa geteilter Meinung: Die einen feiern sie als Ende einer massiven Wirtschaftskrise, die anderen wähnen sich in einem nicht enden wollenden Albtraum. Was ist geschehen?
Nach dem Brexit gründen Frankreich, Deutschland, die Beneluxstaaten und Österreich zusammen mit den beiden Zwergstaaten Monaco und Andorra die Republik West-Zentraleuropa (RWZ) als neues Kerneuropa. Doch auch die RWZ kann den anhaltenden ökonomischen Abschwung nicht verhindern, der der verschlechternden internationalen Wettbewerbsfähigkeit Europas geschuldet ist. Diese massive Wirtschaftskrise spielt der neuen Sozialistischen Einheitspartei West-Zentraleuropa (SEWZE) in die Karten, die durch weitgehende Wohlstandsversprechen vor allem die wachsende Zahl an Transformationsverlierern für sich zu gewinnen versucht.
Die SEWZ punktet mit Versprechungen, den Wohlstand durch eine vertiefte Kooperation mit China wieder auf das alte Niveau von 2020 zu heben. Immerhin wurde vor wenigen Jahren die Seidenstraße zu China fertiggestellt und bei Parteigründung eine umfangreiche Kooperationsvereinbarung mit der östlichen Schwesterpartei – der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) – unterzeichnet. Diese umfasst im Falle eines Regierungsauftrags einen massiven Technologietransfer und eine Freihandelszone, aber auch eine Zusammenarbeit im Bereich der gemeinsamen Infrastruktur beider Regionen. So soll etwa eine höhere Taktung und nur noch symbolische Preise für die Nutzung des Hyperloops zwischen Peking und der größten europäischen Metropole „Ruhrstadt“ angestrebt werden. Die urbane Region „Ruhrstadt“ gründete sich übrigens im Jahr 2034, da sie zunehmend an wirtschaftlicher Bedeutung gewann und sich als administrative Einheit auch versprach, ihr Image als zukunftsträchtiger Innovationshub in Europa weiter auszubauen.
Doch der östliche Retter fordert seinen Preis: Die KPC nutzt ihre Position für ihre ideologischen Ziele, indem Sie ihre „Modernisierungskooperation“ nur denjenigen Staaten anbietet, die auch glaubhaft den Kommunismus anstreben. Der Anziehungskraft dieses Wohlstandsversprechens können viele Europäer nicht widerstehen und so gewinnen immer mehr linke Parteien die nationalen Wahlen. Als diese die Mehrheit in der RWZ erreichen, wandeln sie diese in die Sozialistische Republik West-Zentraleuropa (SRWZ) um.
China hat damit sein Ziel erreicht: ein technologisch und wirtschaftlich abhängiges sowie ideologisch auf Linie gebrachtes Kerneuropa, das die internationale Vorrangstellung Chinas weiter ausbaut. Die (sozialistisch regierten) Europäer kommen in den Genuss von Weltraumtourismus und medizinischen Errungenschaften, die die durchschnittliche Lebenserhaltung auf 110 Jahre erhöhen und Krankheiten wie Krebs und Aids aussterben lassen.
Das neue pan-sozialistische Intranet (segel.net) birgt zwar auch viele kommunikative Innovationen, doch die Menschen ahnen eine allumfassende KI-gesteuerte Überwachung aus dem Fernen Osten. Auch mangelt es der SRWZ bald an eigenen finanziellen Mitteln, denn den Menschen fehlt so wie schon im vergangenen Jahrhundert im UdSSR-geführten Realsozialismus der individuelle Anreiz, sich bei annähernd gleichem Einkommen über die Maße anzustrengen. Die Folge ist, dass die Produktivität sinkt und sich die staatliche Förderung aufgrund von Mittelknappheit nur auf wenige Bereiche beschränken muss. Die neue Staatsratsvorsitzende der SRWZ Evje van Dampen konzentriert sich auf das Bildungs- und Gesundheitssystem und ist dank ihrer charismatischen Ausstrahlung zunächst beliebt. Doch die Menschen beginnen sich gegen die Überwachung und Fremdbestimmung aus China zu wehren. Zudem bietet die steigende Lebenserwartung und die daraus drohende globale Überbevölkerung mit allen seinen Konsequenzen für Umwelt und Ressourcenvorräte genügend Stoff für weit verbreitete Untergangsszenarien.
Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…
1. Akt: Im Hyperloop von Peking nach Ruhrstadt
Eine Gruppe von Menschen sitzt im Hyperloop von Peking nach Ruhrstadt. Es ertönt ein Handyklingeln.
Sekretärin: Wo ist denn mein Handy? Ich finde mein Handy nicht.
Wang Lee (mit starkem chinesischem Akzent): Was ist los? Was ist das?
Sekretärin: Ich finde mein Handy nicht. Es klingelt hier irgendwo. (sie findet es, nimmt ab und spricht ins Telefon). Hier ist die Sekretärin des chinesischen Präsidenten.
Karla Kolumna: Hallo! Hier ist Karla Kolumna, eine Reporterin. Ich wollte fragen, ob ich die Eröffnung der Seidenstraße aufzeichnen könnte.
Sekretärin: Oh. Da muss ich einmal kurz meinen Chef fragen.
Wang Lee: Wer ist das?
Sekretärin: Eine Reporterin.
Wang Lee: Eine Reporterin? Ok. (nimmt das Telefon und spricht hinein) Guten Tag!
Karla Kolumna: Guten Tag! Ich wollte fragen, ob ich Ihr Gespräch mit Evje van Dampen aufzeichnen darf.
Wang Lee: Warum?
Karla Kolumna: Wegen der Eröffnung der Seidenstraße.
Wang Lee: Für die Seidenstraße. Hmm. Wer sind Sie eigentlich?
Karla Kolumna: Die Reporterin Karla Kolumna.
Wang Lee: Welche Zeitung? Volksnah? Staatsnah?
Karla Kolumna: Volksnah.
Wang Lee: Gut, volksnah. Und wann?
Karla Kolumna: Heute.
Wang Lee: Hm, wir sitzen gerade im Hyperloop. (zur Sekretärin) Wann sind wir in Ruhrstadt?
Sekretärin: Wir sind gerade kurz vor Moskau. In 50 Minuten sind wir da.
Wang Lee: Wir sind gleich da. Sie haben sich vorbildlich verhalten. Dafür erhalten Sie zwei Pluspunkte auf Ihr Punktekonto. Alles Weitere besprechen Sie mit Evje.
Evje van Dampen: Ja hallo, hier ist Evje van Dampen.
Karla Kolumna: Hallo! Mir fällt gerade ein, ich bräuchte noch die Datenschutzerklärung.
Evje van Dampen: Wie bitte? Nun ja, warten Sie bitte!
Gibt den Hörer dem chinesischen Präsidenten.
Wang Lee: Wissen Sie eigentlich, mit wem Sie reden? Mit dem Präsidenten von China! Ich bin auf diesem Foto drauf, da brauchen Sie doch keine Datenschutzerklärung. Nehmen Sie ein Foto aus einem Archiv. Ist mir egal. So, ich gebe Ihnen noch einmal meine Sekretärin.
Sekretärin: Ich glaube, wir haben alles geklärt.
Karla Kolumna (etwas eingeschüchtert): Ja, sicher, danke.
Sekretärin: Gut, auf Wiederhören!
2. Akt: Im Hyperloop von Ruhrstadt nach Peking
Eine Gruppe mit großen Plakaten und Trillerpfeifen sitzt im Hyperloop nach Peking und schimpft auf die Politik.
Demonstrantin 1 (flüsternd): Alles Mist. Es muss sich etwas ändern.
Schaffnerin: Guten Morgen! Ich bin die Schaffnerin. Dürfte ich mal bitte Ihre Fahrkarten sehen?
Demonstrantin 2 (zeigt ihr Handy): Ja, wir haben sie alle hier drauf.
Die Schaffnerin hält ihr Kontrollgerät an, es piept und sie nickt.
Schaffnerin: Dankeschön. Sie wollen nach Peking? (mit strengem Blick) Was wollen Sie denn da?
Demonstrantin 1: Da wird doch heute dieses Kosmodrom, dieser Weltraumbahnhof eröffnet. Da wollen wir gern hin.
Schaffnerin (nickt): Verstehe. Dann wünsche ich Ihnen eine gute Reise!
Alle Demonstranten: Danke!
Demonstrantin 1: Oh man, was für eine unnötige Störung! Das ist alles so sinnlos.
Demonstrantin 2: Ja genau, früher war alles besser. Wir waren frei und hatten Zeit.
Demonstrantin 3: Als die EU noch existierte …
Demonstrantin 1: … und die USA noch eine Weltmacht war. Wir konnten Handel betreiben und das hatte viele Vorteile.
Demonstrantin 2 (abfällig): Bevor die van Dampen kam.
Demonstrantin 3 (senkt ihr Stimme): Diese van Dampen. Die ist eine Kommunistin! Ich dachte mal, wir leben in einer Demokratie. Pah!
Demonstrantin 1: Ich habe gerade eine Nachricht bekommen. (liest laut vor) Zentraleuropa ist aus der NATO ausgetreten. Weil Amerika auch raus ist.
Demonstrantin 3: Was ist denn das schon wieder? Da geht ja gar nichts.
Demonstrantin 2: Da geht ja nun alles den Bach runter.
Demonstrantin 1: Es fing an mit Großbritannien, als es aus der EU ausgetreten ist.
Demonstrantin 2: Ja vor 10 Jahren, im Jahr 2030.
Demonstrantin 1: Wir müssen wirklich zu dieser Demonstration.
Demonstrantin 3: Genau, es kann nicht so weiter gehen. Diese Überwachung dürfen wir nicht hinnehmen.
Demonstrantin 2: Diese van Dampen, der kann man nicht vertrauen. Für die zählen nur die Seidenstraße und Raketen.
Demonstrantin 3: Und den chinesischen Einfluss nimmt sie auch billigend in Kauf. Dabei möchte ich mal 2 Kinder haben.
Demonstrantin 1: Habt Ihr auch Eure Plakate gegen die Verschmutzung unseres Weltalls durch Weltraumschrott und -tourismus dabei?
Demonstrantin 2: Ja, hier, zusammengefaltet. Darf ja vorher keiner sehen.
Demonstrantin 3: Ich habe meine hinten im Rücken.
3. Akt: Auf einer Demonstration am chinesischen Weltraumbahnhof
und Organisator der Demonstration
Am frisch zu eröffnenden Weltraumbahnhof in Peking bildet sich eine große Menschenmenge. Es spricht der Organisator der unangemeldeten Demonstration, Klaus Reamour.
Klaus Reamour: Liebe Freunde, es kann so nicht weitergehen. China streckt seine Krakenarme nach uns aus und diese van Dampen unternimmt nichts dagegen! Hier sieht man es an unserer Infotafel (projiziert ein Hologrammbild). Die Seidenstraße mit dem Hyperloop. Uns droht die komplette Abhängigkeit.
Demonstranten: China muss weg! China muss weg! China muss weg!
Klaus Reamour: Was China da macht mit seinem Weltraumbahnhof, ist reine Kolonialpolitik, ja Propaganda! Und dieser Weltraumbahnhof, der bei uns in Brüssel gerade gebaut wird, ist doch völlig überflüssig. Der muss auch weg.
Demonstranten: Muss weg! Muss weg! Muss weg!
Klaus Reamour: Und was ist hier mit den ganzen Arbeitsplätzen? Die müssen wir doch erhalten!
Demonstranten: Sozialverräter! Sozialverräter! Sozialverräter!
Klaus Reamour: Und vor allem müssen wir erst einmal unsere Umwelt schützen. Dänemark ist fast komplett abgesoffen, die Deiche in den Niederlanden sind zu hoch, die brechen bald ein. Wir müssen endlich etwas tun. Am besten wir gründen eine neue Partei. Die Neuen Sozialen!
Demonstranten: Die Neuen Sozialen! Die Neuen Sozialen! Die Neuen Sozialen!
Die Menge applaudiert, doch bald kommen chinesische Polizisten und beginnen, die Demonstration aufzulösen.