Den Menschen in Stefan Müllers Deutschland geht es finanziell weitgehend gut. Eine „Reichensteuer“ sorgt für Umverteilung, sodass Vermögen und Gehälter nahezu angeglichen sind. Fortgeschrittene Roboter erleichtern den Menschen die Arbeit. Autos, die auf Straßen fahren, wurden vor kurzem als zu großes Sicherheitsrisiko eingestuft und verboten. Nun gibt es nur noch fliegende Autos, die mit ihren Schatten ein recht seltsames Straßenbild erzeugen und vor allem von älteren Menschen abgelehnt werden. Einkäufe werden fast nur noch online bestellt und per Drohne geliefert.
Politisch regt sich allerdings trotzdem Unmut. Auch ein neu auf dem Markt eingeführtes iPhone 32 kann den Blick nicht darauf verstellen, dass sich vieles entwickelt wie damals in der DDR. Besonders die ältere Generation weist auf die Parallelen zu der Zeit unter Honecker hin. Die bislang stärkste Partei PfG – die Partei für Gerechtigkeit – wurde vor wenigen Jahren von vielen als großer Hoffnungsträger angesehen. Doch ein Skandal nach dem anderen erschüttert das Vertrauen der Wähler in diese Partei.
Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…
1. Akt: Im Wohnzimmer
Die Familie Schröder möchte Nachrichten schauen und schaltet den Hologramm-Beamer an. Es erscheint die Silhouette des Bundeskanzlers Stefan Müller.
Stefan Müller: Danke, dass mich so viele gewählt haben. Ihr wollt eine bessere Infrastruktur und eine bessere Zukunft für Deutschland? Alles, was ihr wollt, werde ich euch geben. Ich bin Stefan Müller und dafür stehe ich mit meinem Namen! (setzt ein gewinnendes Lächeln auf)
Marta Schröder: Macht doch das Hologramm aus!
Herbert Schröder: Reden schwingen kann er, aber passieren tut nichts!
Leo Schröder: Der sollte lieber die Branche wechseln, der wäre echt ein guter Schauspieler.
Marta Schröder: Und von wegen Infrastruktur. Die Straßen sind genauso schlecht wie früher. Und schau Dir doch mal die Armen an (zeigt aus dem Fenster, durch das man eine Bettlerin sieht). Es sieht nicht so aus, als würde etwas bei denen ankommen.
Herbert Schröder: Große Klappe und nichts dahinter.
Marta Schröder schaltet genervt den Hologramm-Beamer aus.
2. Akt: Auf der Straße
Drei Freundinnen laufen die Straße herunter und unterhalten sich.
Marta Schröder: Geht doch schon mal vor zur Demo, ich bezahl noch schnell das Flugtaxi (zückt ein paar Scheine, die sie in den Ticketautomat steckt).
Wenig später hat Marta Schröder ihre beiden Freundinnen eingeholt und sie kommen auf einen großen Platz, auf dem eine Kundgebung stattfindet. Sie holen ein Plakat aus dem Rucksack mit der Aufschrift „Wo ist unser Geld, Stefan?“ und schreien laut mit der Masse mit.
Marta Schröder: Wo ist unser Geld, Stefan? Wo ist unser Geld, Stefan? Wo ist unser Geld, Stefan?
Laute Rufe und wilde Forderungen sind zu hören. Derweil tritt Stefan Müller auf die Bühne und versucht das Wort zu ergreifen.
Stefan Müller: Ich will doch nur für unser Deutschland …
Doch er wird durch hundertfache Buh-Rufe unterbrochen und schlicht niedergeschrien – Stefan Müller kommt einfach nicht zu Wort und verlässt verärgert wieder die Bühne.
3. Akt: Im Wohnzimmer
Eine Woche später eilt Marta Schröder von der Arbeit zurück, um es rechtzeitig zur Tagesschau zu schaffen. Sie schaltet den Fernseher ein, gerade kommt die Einspielmusik und die Tagesschausprecherin schaut lächelnd in die Kamera.
Nachrichtensprecherin: Guten Tag, herzlich willkommen zur Tagesschau. Es ist 20 Uhr, mein Name ist Tanja Ludewig und hier kommen die neusten Nachrichten. Die heutigen Neuwahlen haben ergeben, dass die Partei für Gerechtigkeit – die PfG – ihre Mehrheit deutlich verloren hat. Nach den neusten Ermittlungen soll der ehemalige Vorsitzende, Stefan Müller, zudem den Großteil seines Geldes auf einem Schweizer Konto angelegt haben. Die Ermittlungen laufen noch. Stefan Müller sitzt derweil in U-Haft. Und nun kommen wir zum Wetter.
Marta Schröder (schreit Richtung Fernseher): Endlich, jetzt bekommt er, was er verdient hat.
Herbert Schröder (mit erhobenem Zeigefinger): Jetzt bekommen wir endlich unsere versprochene Gerechtigkeit.
Sie schalten den Fernseher aus und schwelgen in der Vergangenheit, in der es ja oft so viel besser war.